Dietmar Offenhuber, Keynote-Speaker an der Kunstuni.

Foto: Office of Science and Technology Austria - Washington, DC Courtesy of: Scott Mason Photography

Linz – "Wie wollen wir unsere Zukunft gestalten? Welche Medien wollen wir wie nutzen? Was heißt Demokratie im Zeitalter von Big Data? Kann ein Pixel Kunst sein?" Mit diesen Fragen eröffnete Stefan Sonvilla-Weiss das Symposium "Make ... cooperative futures" der Kunstuni Linz, das kürzlich im Ars Electronica Center in Linz stattfand. Es ging darum, Anstöße zum Nachdenken über eine gemeinschaftlich gestaltete Zukunft zu geben.

Sonvilla-Weiss, der das Institut für Kunst und Bildung an der Kunstuniversität Linz leitet, betonte die Wichtigkeit eines innovativen Medienunterrichts an Schulen. Eine gewisse Medienkompetenz gehöre heute dazu, um mündig und selbstbestimmt an gesellschaftspolitischen Prozessen teilzunehmen.

Dietmar Offenhuber, der Kunst, Design und Public Policy an der Northeastern University in Boston lehrt, sprach über das Basteln mit aktueller Soft- und Hardware als Strategie von Gemeinschaften, sich Technologie selbst und abseits von Institutionen anzueignen. "Wir konzentrieren uns oftmals darauf, was Technologie ermöglicht, und zu wenig darauf, wie sich Communitys um sie herum organisieren", sagte er, im Hintergrund ein Bild der Fernsehfigur MacGyver, der gerade aus einem Dosenöffner ein Autoersatzteil macht.

"Wäre der Dosenöffner nicht da, würde er etwas anderes finden", erklärte Offenhuber das Bricolage-Prinzip, das vom Ethnologen Claude Lévi-Strauss als Begriff eingeführt wurde; es gehe nicht um die Technik als solche, sondern darum, das nutzbar zu machen, was verfügbar ist.

Eigenleben der Datensätze

Offenhuber forscht über Infrastrukturen. In dem Projekt "Improstructures" untersuchte er gemeinsam mit der Mobilitätsforscherin Katja Schechtner das Energieversorgungsnetz in der philippinischen Hauptstadt Manila, deren Kabelstrukturen im Spannungsfeld zwischen Stadtplanung und Stromdiebstahl improvisierend, bastelnd weiterentwickelt werden.

Offenhuber zeigte auch, wie Communitys Smartphone-Apps für gewisse Anwendungen nützlich zweckentfremden. So gibt es in Indonesien Projekte, die Überflutungsgefahren über solche bestehenden Kanäle verbreiten. Offenhuber stellte fest, dass Datensätze nicht einheitlich, sondern heterogener seien als angenommen und ein Eigenleben entwickelten. Bei der Gestaltung der Zukunft werde das nicht anders sein.

In der Zeit des Kalten Krieges begannen auf prominente Weise US-amerikanische Thinktanks, aber auch zahlreiche europäische Institutionen systematisch und disziplinenübergreifend mit dem Erstellen von Zukunftsszenarien. Auf der einen Seite entstanden Modelle, um rechnerisch-statistisch und mithilfe von Computersimulationen solche Szenarien zu erstellen.

Auf der anderen Seite begann die Futurologie, oftmals inspiriert von Science-Fiction, in kurzen Geschichten mögliche Szenarien zu entwerfen und zu evaluieren. Wie ein solches Erzählen in künstlerischer Forschung aussehen kann, zeigte im Rahmen der vom Wissenschaftsministerium unterstützten Tagung die Gruppe Time's Up, die sich als "Labor für experimentelle Situationen" versteht.

"Erfahrbare Zukunft"

Letztes Jahr etwa war im Linzer Kunstmuseum Lentos die "erfahrbare Zukunft" Turnton Docklands zu sehen und zu begehen. Die fiktive Stadt Turnton ist im Jahr 2047 von Umweltzerstörung gezeichnet. In der düsteren Situation finden sich aber Hinweise auf sozial- und umweltpolitischen Wandel.

Viele Lösungen, die heute als "utopisch" bezeichnet werden, sind nun umgesetzt, und die Weichen hin zu einer besseren Welt sind gestellt. "Es dauert natürlich, eine solche Zukunft zu bauen", erklärten Tina Auer und Tim Boykett von Time's Up. Die Idee ist, dass die Ausstellung detektivisch betrachtet wird und jedes Detail der begehbaren Erzählung Rückschlüsse auf das Zukunftsszenario zulässt.

In ihrem Workshop zeigten sie allerdings, wie man möglichst rasch in einen Denkprozess über die Zukunft kommt, nämlich mit einem Spiel. Auf Karten werden Aspekte einer gewünschten Zukunft skizziert, daraufhin werden sie gemischt und mit den utopischen Vorstellungen anderer Spielteilnehmer zusammengewürfelt. Entstehen soll ein konkretes Zukunftsszenario in Text- und Bildcollage.

Collagen und Zeichnungen entstanden auch im Workshop der Gewässerökologin und bildenden Künstlerin Christina Gruber. Eines der wichtigsten Anwendungsfelder von Big Data ist ja das Kartografieren. Seit Menschen Karten zeichnen, verzeichnen sie darin nicht nur geografische Informationen, sondern auch, was an diesen Orten passiert und passieren soll.

Gruber zeigte Modellierungsprozesse aktuellen Kartenzeichnens und regte an, diese für utopisches Spekulieren nutzbar zu machen. In Karten sind immer Geschichten und Machtverhältnisse eingeschrieben, das macht sie zur produktiven Spielwiese für das Nachdenken über alternative Gesellschaftspraktiken.

Auch im Workshop "future matters – das Material, aus dem unsere Zukunft ist?!" wurde mit den Händen nachgedacht. Gebastelt wird mit Materialien und Materialkombinationen, die sich analog programmieren lassen; keine Sensoren, keine Algorithmen, was die Objekte smart macht, ist ihre Struktur. Papier, das bei Feuchtigkeit wächst, Folie, die bei Hitze schrumpft, elastischer Stoff, der sich mit Heißkleber in die futuristischsten dreidimensionalen Gebilde bringen lässt – bringt man diese Materialien in eine gewisse Form und Struktur, kann man sich diese Eigenschaften und die Bewegungsmuster, die daraus resultieren, zunutze machen.

Dieser Workshop findet regelmäßig für Schulklassen in der aktuellen Ausstellung im Ars Electronica Center statt. (Julia Grillmayr, 8.6.2018)