Als "an allen Ecken und Enden erkennbarer Kompromiss, der vielfach keine Klarheit schafft", bezeichnet Nikolaus Forgó, Experte für Technologierecht an der Uni Wien, die DSGVO.

Foto: Helge Krueckeberg

Wem gehören die Daten, die in Fahrzeugen gesammelt werden? Informationen zu Beschleunigung oder Bremsverhalten lassen auf die Risikofreudigkeit des Lenkers schließen und sind etwa für Versicherungen interessant. Die Daten haben einen ökonomischen Wert. Wie sollen diese Daten geschützt werden?

"Rechtlich ist dabei die Frage relevant, ob es sich um personenbezogene Daten handelt. Nur dann greifen die Datenschutzrechte", betont der Technologierechtler Nikolaus Forgó. Mit dem Auto können aber verschiedene Personen fahren, nicht nur der Eigentümer. Gehören also die Motordaten, die viel über das Verhalten eines Lenkers aussagen können, zu den personenbezogenen Daten? Forgó: "Das weiß heute niemand in Europa. Es gibt dazu keine einzige valide Gerichtsentscheidung."

Nikolaus Forgó ist seit vergangenem Herbst Professor für Technologie- und Immaterialgüterrecht sowie Leiter des Instituts für Innovation und Digitalisierung im Recht an der Uni Wien. Am Donnerstag hält er gemeinsam mit der Politikwissenschafterin Barbara Prainsack seine Antrittsvorlesung, in der die beiden die "Gesellschaftsordnungen im Zeitalter der Digitalisierung" politisch und rechtlich betrachten.

Zeitgemäßes Datenschutzrecht

Die Digitalisierung wird vielfältige Auswirkungen auf die Arbeitsmärkte haben. Technische Entwicklungen wie autonome Fahrzeuge, ein Internet der Dinge, Ubiquitous Computing – also "allgegenwärtige Informationsverarbeitung" – verändern wirtschaftliche und gesellschaftliche Strukturen. Forgó und Kollegen machen sich Gedanken darüber, wie in dieser Welt ein zeitgemäßes Recht aussehen kann.

Die nun in Kraft getretene EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) bewertet Forgó teilweise kritisch. "Die gute Nachricht ist, dass man sich in Europa auf etwas geeinigt hat. Die schlechte, dass es ein an allen Ecken erkennbarer Kompromiss ist, der vielfach keine Klarheit schafft", resümiert der Rechtsinformatiker. "Man merkt ihr an, dass sie konzeptionell noch stark auf den Vorstellungen von Datenverarbeitung aus den 1970er- und 1980er-Jahren basiert."

Davon zeuge etwa die Rechtsregel des "Verbots mit Erlaubnisvorbehalt", die Datenverarbeitung grundsätzlich rechtswidrig macht, wenn sie nicht durch einen genau definierten Grund ausdrücklich erlaubt wird. "Das stammt aus einer Zeit, als Datenverarbeitung rar und hauptsächlich Angelegenheit des Staates war", sagt Forgó. Mit jeder heute getätigten Ausnahme öffnet man "rechtliche Scheunentore", die nur schwer kontrollierbar sind.

Dazu kommen die Prinzipien der "Interessenabwägung" zwischen Grundrechten der Unternehmen und Betroffenen und der "informierten Einwilligung", die oft so aussieht, dass Nutzerbedingungen kaum gelesen werden, aber trotzdem ein Okay bekommen. Die Vagheit der Prinzipien habe zur Folge, dass trotz DSGVO "große einzelfallbezogene Unsicherheit" herrscht und man vor den Gerichten trefflich streiten wird, kritisiert Forgó.

Hysterie in Unternehmen

Auch die Unterscheidung personenbezogener Daten sei früher sicher sinnvoll gewesen, heute, da man die "Wetterdaten von Mistelbach" in der richtigen Kombination zu personenbezogenen Daten verschneiden könne, ist sie das für Forgó nicht mehr ohne weiteres.

Ebenso mutet der Grundsatz zur Datensparsamkeit angesichts von Big Data und Ubiquitous Computing, wo unter Umständen bei der Datenerhebung ihr Zweck noch unklar ist, unzeitgemäß an. "Mit der Datenschutzverordnung hat man zwar Hysterie bei mittelständischen Unternehmen ausgelöst, an der datenschutzrechtlichen Gesamtrechnung bisher aber kaum etwas verändert", resümiert Forgo.

Wenn also nicht einmal die neueste Verordnung zeitgemäß ist, wie soll das Rechtssystem je mit den sprunghaften Entwicklungen der Technologie mithalten können? Für Forgó wäre ein Weg, das sehr detaillierte Recht drastisch zu verschlanken. "Man könnte sich politisch auf wesentliche Grundsätze einigen, Risiken bewerten und die wichtigsten Pfähle einschlagen – etwa dass der Betroffene wissen muss, was mit seinen Daten passiert, und Einfluss haben kann. Das würde dazu führen, dass Gerichten, die im Einzelfall entscheiden, größere Freiheit und größeres Gewicht zukommen." (Alois Pumhösel, 10.6.2018)