Der Blumfeld-Klassiker "L'État et Moi" wurde Anne Feldkamp aus Hamburg mitgebracht, ungelogen!

Foto: Lukas Friesenbichler, Set-Design: Magdalena Rawicka

Diese Geschichte erschien im Rahmen eines Schwerpunkts im RONDO zum Thema Souvenirs.

Foto: lukas friesenbichler

Sie kommt aus Hamburg, ein normales Mitbringsel ist sie aber nicht. Diese Platte hat eine Geschichte. Losgegangen war sie an einem Montag in den 1990ern nach der Schule. Dass der Montag damals meist ein guter Tag war, hatte damit zu tun, dass montags der "Süddeutschen Zeitung" das "Jetzt"-Magazin beigelegt war. Das "Jetzt"-Magazin (gerne als "Bravo" der Blumfeld hörenden Gymnasiasten geschmäht) erzählte Woche für Woche auf wenigen Seiten, was da draußen los, was gut und was richtig war.

Besserwisser-Pop

Das konnte für einen Teenager, verloren in einer durchschnittlichen westdeutschen Kreisstadt, die Rettung bedeuten. Nach dem montäglichen Durchblättern des schmalen Heftes war klar: Genau diese Bücher muss ich lesen, diese CDs hören, diese Filme sehen! So erging es auch der neuen Blumfeld-Platte. "L'État et Moi" musste einfach sein, es schrieben schließlich alle drüber. Die Investition in die Platte mit den goldenen Anzügen lohnte sich, wochenlang lief sie im CD-Player in heavy rotation. Die Platte eröffnete Welten. Plötzlich sah Sänger Jochen Distelmeyer genau so aus, wie Männer aussehen sollen. Und dann diese klugen Texte und die vielen Zitate!

Zugegeben, die Deutung des Besserwisser-Pop aus Hamburg war eine Herausforderung. Dass dafür ganze Nachmittage draufgingen, egal, denn die Begeisterung war groß: "Als der Strom weg war, warst du bei mir, und du sagtest: Ok, und jetzt erklär mir, die neuen Lieder, die du spielst, die haben kaum noch was zu tun mit mir." In der Bibliothek wurden zum besseren Verständnis Bücher ausgeliehen und Autoren entdeckt, die sonst liegengelassen worden wären: Ich war Fan, daran rüttelte keine Nachfolgeplatte, auch kein noch so blöder Blumfeld-Auftritt später in der Unistadt. Als Jochen Distelmeyer in Marburg in einer Latzhose auftrat, schien er mit seiner Stilsicherheit alle linken Barfußträger in den Schatten zu stellen.

Fan mit Konsequenzen

Das Fansein hatte Konsequenzen. Die Welt wurde eingeteilt in die, die dazugehörten, und jene, die einfach nicht verstanden. Männer? Mussten zwar keine Latzhosen tragen, aber diese Platte hatten sie zu haben, komme, was da wolle.

Nur ich selbst saß irgendwann auf der angeknacksten, blind gewordenen CD aus den 1990ern. Ziemlich blöde Sache, mittlerweile so ohne CD-Player. Bis der Freund (mit der natürlich ausgesuchtesten Plattensammlung der Welt) irgendwann wieder einmal in Hamburg war. Er wusste, was zu tun ist.

Wo ließe sich "L'État et Moi", heute einer der Klassiker der Hamburger Schule, stilsicherer einkaufen als in Hamburg? Und dann nur für mich und meine kleine Musiksammlung? Das Mitbringsel entschädigte für vieles. Und erinnert daran, wie verdammt gut sich Fansein anfühlen kann. (Anne Feldkamp, RONDO, 8.6.2018)