Das gemeinsame Verreisen der Bundesregierung kann zu verfassungsjuristischen Problemen führen, ...

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... meint der Professor für Verfassungsrecht, Heinz Mayer.

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Wien – Es ist höchst ungewöhnlich, wenn sich Bundeskanzler und Vizekanzler und auch alle Ministerinnen und Minister gleichzeitig im Ausland befinden. Zumindest verfassungsrechtlich stellt dieser Umstand – wie er sich am Mittwoch mit der Reise der gesamten Regierung nach Brüssel darstellt – kein Problem dar. "Nach Artikel 73 der österreichischen Verfassung gilt das EU-Ausland in einem solchen Zusammenhang de facto als Inland", bestätigt Verfassungsjurist Heinz Mayer dem STANDARD.

Problematisch in Mayers Augen hingegen die gemeinsame Anreise von Sebastian Kurz, Heinz-Christian Strache und Co in einem einzigen Flugzeug: "Grob fahrlässig! Keine Bank würde ihr Topmanagement gemeinsam in einen Flieger setzen", sagte Mayer.

Der Leiter der Stabstelle für Kommunikationsplanung im Kanzleramt, Gerald Fleischmann, erklärte am Abend, dass nicht die gesamte Regierung in einem Flugzeug gesessen habe: Vier Minister, darunter Justizminister Josef Moser, seien in einer anderen Maschine nach Brüssel geflogen.

Protokollarische Rangordnung

Hintergrund der Kritik des Topjuristen Mayer ist die protokollarische Rangordnung, die es für Österreich zwar nicht offiziell, aber doch de facto gibt. Demnach gilt der Bundeskanzler als Nummer drei im Staate (siehe Aufstellung am Ende des Textes) nach Bundespräsident und Nationalratspräsident. Der Vizekanzler ist Nummer sechs, zum Kanzler trennen ihn der Bundesratspräsident sowie die Präsidentin und Präsidenten der Höchstgerichte. An der siebenten Stelle folgen dann im Paket alle Bundesministerinnen und -minister, gefolgt von den Landeshauptleuten.

Sollten also Bundeskanzler und Vizekanzler gemeinsam – wie das am Mittwochvormittag geschehen ist – in einem Flugzeug verreisen und dieses zum Beispiel abstürzen, könnte es zu verfassungsrechtlichen Problemen in der Kompetenzübertragung der Ämter führen. "Vor allem der Bundeskanzler und der Vizekanzler sollten daher unbedingt getrennt reisen", rät Verfassungsprofessor Mayer.

EU ist de facto Inland – mit Ausnahmen

Prinzipiell sei aber der Aufenthalt der gesamten Bundesregierung im EU-Ausland – egal ob an einem oder mehreren Orten – unproblematisch, bestätigt Mayer. Mit einer Ausnahme: Die Erledigung von staatlichen Hoheitsakten – also die Erlassung von Gesetzen, die Setzung von Verwaltungsakten sowie gerichtliche Entscheidungen – darf tatsächlich nur im geografischen Inland erfolgen.

Wie Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal dem STANDARD bestätigt, sollte die Rückreise aus Brüssel am Mittwochabend übrigens getrennt erfolgen: Bundeskanzler Kurz flog nämlich von Brüssel direkt nach München, wo er vom bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder empfangen werden sollte.

Österreich wird also bis auf Weiteres ohne dezidierte Regelung eines "designated survivor" auskommen, wie sie etwa in der US-Verfassung seit 1947 unter dem Titel "Presidential Succession Act" existiert. (Gianluca Wallisch, 6.6.2018)


Edit: Einfügung von Stellungnahme Gerald Fleischmann um 18:40 MESZ.