Der Mord an Soumaila Sacko löste in mehreren Städten Proteste aus, unter anderem in San Ferdinando (Kalabrien).

Foto: ANSA / Marco Costantino

Vibo Valentia – Bei einer verlassenen Ziegelei bei San Calogero in Kalabrien wollte er Blech für seine Baracke sammeln. Dabei wurde Soumaila Sacko erschossen. Die Kugel, aus über 60 Metern gefeuert, traf ihn am Kopf. Der 29-Jährige war sofort tot, einer der zwei Freunde, die ihn begleiteten, wurde am Bein verletzt.

Sacko arbeitete als Erntehelfer in der Gegend um die Kleinstadt Gioia Tauro, zwischen den Provinzen Reggio Calabria und Vibo Valentia. Vor acht Jahren kam er aus Mali nach Italien und verfügte über einen regulären Aufenthalt. Neben der Arbeit engagierte er sich in der Gewerkschaft "Unione Sindacale di Base" (USB) für die Rechte der Erntehelfer der Region.

Warum er sterben musste, ist weiterhin unklar. Zunächst war von einem Mafiamord die Rede – die Gegend wird von der 'Ndrangheta kontrolliert –, dann von einer Racheaktion aufgrund des Diebstahls des Blechs, schließlich von einem rassistischen Delikt.

Die Polizei ermittelt gegen einen lokalen Bauern, der mit den früheren Besitzern der Ziegelei verwandt sein soll, berichtet die Tageszeitung "La Repubblica". Er soll keine direkte Verbindung mit der Mafia aufweisen. Die Fabrik war geschlossen worden, weil dort 135.000 Tonnen Giftmüll entdeckt wurden.

3.500 Tagelöhner in der Gegend

Sacko war einer der laut einem neuen Bericht der NGO "Medici per i Diritti Umani" (MEDU, "Ärzte für Menschenrechte") etwa 3.500 überwiegend afrikanischen Migranten, die in der Gegend um Gioia Tauro als Tagelöhner arbeiten. Sie sammeln Obst, hauptsächlich Zitrusfrüchte und Kiwis, oder Oliven.

Obwohl sie eine Aufenthaltsgenehmigung haben, arbeiten die meisten schwarz. Schließlich müssen die Preise auf dem nationalen und internationalen Markt niedrig bleiben. Außerdem ist es oft die Mafia, die die Erntehelfer rekrutiert. Den Tagelöhnern werden im Durchschnitt 25 Euro am Tag versprochen, die Fristen werden jedoch selten eingehalten. In der Regel werden die Migranten etwa vier Tage die Woche beschäftigt, 30 Prozent arbeiten jeden Tag.

Schreckliche Wohnsituation

Auch die Wohnsituation ist miserabel. Die Migranten leben in Zeltstädten oder, wie Sacko, in Baracken. Er wohnte bei San Ferdinando – in einer Zeltstadt, die im Jänner wegen eines Brandes (eine Tote) geschlossen hätte werden müssen. Der Gewerkschafter Yvan Sagnet, der sich seit Jahren für die Rechte der afrikanischen Tagelöhner in Süditalien engagiert, twitterte Bilder von Sackos Unterkunft.

Aufgrund der schlechten Wohnbedingungen werden die Menschen in den Zeltlagern häufig krank. Laut MEDU leiden die Betroffenen in den meisten Fällen an Krankheiten der Atemwege und des Verdauungstraktes.

Migranten demonstrieren, Regierung meldet sich kaum

Die Ermordung Sackos ist aufgrund des politischen Klimas in Italien besonders brisant. Fast zeitgleich mit seiner Tötung am 2. Juni hatte der frischgebackene Innenminister und Lega-Nord-Chef Matteo Salvini angekündigt, das "Vergnügen" für illegale Migranten und Asylsuchende sei "vorbei".

Am Montag demonstrierten Freunde und Kollegen Sackos in San Ferdinando für bessere Bedingungen und gegen Rassismus. Am Dienstag fanden Protestaktionen in Neapel und Turin statt. Dieses Wochenende sollen weitere Proteste unter anderem in Mailand geplant sein.

Die Reaktionen der neuen Regierung, die aus einer Koalition zwischen der post-ideologischen Movimento 5 Stelle (M5S) und der rechtspopulistischen Lega besteht, waren begrenzt. Eine Stellungnahme von Arbeitsminister Luigi Di Maio (M5S) lässt noch auf sich warten. Der neue Premierminister Giuseppe Conte (M5S) adressierte am Dienstag den "tragischen Vorfall" in seiner Rede vor dem Vertrauensvotum im Senat. Die Lage der Arbeiter auf den Feldern sei "unwürdig". Der gesamte Senat applaudierte für die Aussagen.

Ausbeutung der Migranten in der Landwirtschaft kein neues Phänomen

Die Ausbeutung von Migranten auf den Feldern ist in Süditalien, zunehmend auch im Rest des Landes, kein neues Phänomen. Es begann bereits in den 1980ern-Jahren auf den von der Camorra kontrollierten Tomatenfeldern in Kampanien und ist bis dato ein wesentlicher Bestandteil der italienischen Intensivlandwirtschaft. Ohne sie gäbe es im Supermarkt kein billiges Obst und Gemüse aus Italien. Der Mord an einem südafrikanischen Flüchtling 1989 nahe Caserta löste Massenproteste aus, an denen 200.000 Menschen teilnahmen. (Francesco Collini, 7.6.2018)