Mobbing unter Raben: Drei dominante Exemplare bedrängen einen schwächeren Artgenossen. Der sperrt als Demutsgeste den Schnabel auf.
Foto: Georgine Szipl

Wien/Grünau im Almtal – Im Getümmel an einer Futterstelle kann es zwischen Raben zu Auseinandersetzungen kommen. Wird ein schwächeres Exemplar von einem dominanten angegriffen, bietet es sich daher an, andere um Hilfe zu bitten – immerhin sind Kolkraben (Corvus corax) sehr soziale Tiere. Wie Forscher von der Konrad Lorenz Forschungsstelle (KLF) der Uni Wien berichten, wägen die klugen Tiere ihre Rufe aber sehr genau ab.

Sind Verwandte und Freunde des bedrängten Raben anwesend, äußert sich das in einer hohen Rate an Defensivrufen. Wenn in der Meute aber eher die Kreise des Angreifers vertreten sind, ruft das Opfer kaum – es könnte damit ja noch mehr Gegner auf sich aufmerksam machen. Für die Forscher handelt es sich dabei um eine Variante des Publikumseffekts, demzufolge sich das (nicht nur) menschliche Verhalten im Beisein anderer verändert.

Komplexe Leistung

Strategisches Einsetzen von Hilferufen klingt für uns einleuchtend, bedarf aber eines hohen Grads an Wissen über die verschiedenen sozialen Geflechte innerhalb der Rabengesellschaft. "Dies deutet darauf hin, dass freilebende Kolkraben trotz komplexen Sozialsystems über die Beziehungen ihrer Artgenossen Bescheid wissen. Dieses Wissen können sie flexibel einsetzen", sagt Georgine Szipl von der KLF.

Und dieses soziale Wissen ist auch nach menschlichen Dimensionen recht komplex: Immerhin können sich an einer Futterstelle wie der von den Forschern beobachteten je nach Saison, Jahreszeit und Futterangebot 50 bis 100 Raben einfinden – da bedarf es schon einer beachtlichen Leistung, den Überblick zu bewahren, ob Vertrauen oder Vorsicht angebracht ist. (red, 7. 6. 2018)