Die aus einem Schlaganfall resultierenden Verletzungen im Gehirn könnten die Ausschüttung von Hormonen verändern und dadurch die PSD begünstigen.

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Leidet der Körper, ist auch der Geist betroffen. Das wusste schon der griechische Arzt Hippokrates – eine Weisheit, die auch auf den Schlaganfall zutrifft. Tatsächlich sind die Patienten nach einem Hirnschlag nicht nur motorisch eingeschränkt, gut jeder Dritte entwickelt auch eine Depression, die sogenannte Post-Stroke-Depression (PSD). "Das ist weit mehr als der Durchschnitt", sagt Mario Siebler, Chefarzt der Neurologie an der MediClin-Fachklinik am Rhein: "In der Normalbevölkerung erkrankt tatsächlich nur jeder Fünfte."

Woran das genau liegt, hat mehrere Ursachen. Grundsätzlich gilt: Menschen, die familiär bedingt ein höheres Risiko haben, eine Depression zu entwickeln, haben auch nach dem Schlaganfall ein erhöhtes Risiko. Dazu kommen die körperlichen Einschränkungen. Manche können nach dem Hirnschlag ihre rechte oder linke Hand nicht mehr richtig bewegen, andere haben Sprachstörungen oder sind einseitig gelähmt. "Wird den Betroffenen das bewusst, beginnen sie zu verstehen, dass sich ihr Leben nun nachhaltig verändern wird", so Siebler: "Zu wissen, dass sie wieder ganz neu lernen müssen zu essen oder ihren Job nicht mehr weitermachen können, drückt auf die Psyche."

Folge der Sauerstoffunterversorgung

Als Ursache für die Depression werden auch Veränderungen im Gehirn diskutiert. Ausgelöst werden Schlaganfälle meist durch ein Blutgerinnsel, das im Gehirn ein Gefäß verstopft. Die Folge: Unser Denkorgan wird nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt, und je länger die Unterversorgung anhält, desto größer ist meist der organische Schaden. Die daraus resultierenden Verletzungen im Gehirn könnten etwa die Ausschüttung von Hormonen verändern und dadurch die PSD begünstigen. "Ähnlich wie bei einer Wochenbettdepression", so Siebler, "aber das ist nur eine interessante Hypothese."

Erste Anzeichen einer Post-Stroke-Depression sind wie bei der Depression Antriebslosigkeit, Schlafstörungen sowie Traurigkeit, die länger als zwei Wochen andauern. "Für das Erkennen der PSD ist es von Vorteil, dass insbesondere schwer betroffene Patienten nach dem Schlaganfall engmaschig betreut werden", erklärt Franz Fazekas, Neurologe von der Medizinischen Universität Graz: "Gerade während der Rehabilitation bekommen Ärzte, Pflege und Physiotherapeuten hautnah mit, wie sich die Stimmung der Patienten entwickelt." Schwieriger wird es, wenn die Depression später auftritt, also wenn der Patient die Reha bereits beendet hat und wieder zu Hause ist.

Einsatz von Medikamenten

Behandelt werden Menschen mit PSD in der Regel mit einer Kombination aus Psychotherapie und Antidepressiva. "Dem Einsatz von Medikamenten kommt in der Therapie allerdings eine größere Bedeutung zu", so Fazekas. Ein Grund hierfür ist, dass einige der Patienten durch den Schlaganfall nicht nur motorische, sondern auch kognitive Einbußen haben. "Eine Gesprächstherapie ist daher nicht immer und meist nur unterstützend möglich", gibt der Neurologe zu bedenken.

Dazu gibt es Hinweise, dass die Einnahme von Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI), einem bestimmten Antidepressivum, neben diesem Effekt auch die Funktion von Hirnzellen stabilisiert und ihre Neubildung anregt. Darauf weist zumindest eine Studie der Universität Toulouse hin, die 2011 im Fachblatt "The Lancet" erschien.

Schwierig gestaltet sich die Psychotherapie auch für Patienten, deren Sprachfähigkeit und Sprachverständnis durch den Hirnschlag beeinträchtigt sind. Bei ihnen stößt die Gesprächstherapie ebenfalls schnell an Grenzen. Insgesamt gilt jedoch: "Wird die PSD rechtzeitig erkannt und behandelt", so Neurologe Siebler, "sind die Heilungschancen tatsächlich relativ gut." (Stella Hombach, 7.6.2018)