Prag – Der tschechische Staatspräsident Miloš Zeman hat den Milliardär und Chef der Protestbewegung Ano, Andrej Babiš, am Mittwoch offiziell zum Premier ernannt. Der 63-jährige Babiš, der seit Jänner 2018 wegen einer gescheiterten Vertrauensabstimmung nur als geschäftsführender Regierungschef amtierte, legte den Eid bei einer Zeremonie auf der Prager Burg ab. Nun will er ein Minderheitskabinett aus Ano und Sozialdemokraten (ČSSD) bilden, das von den Kommunisten (KSČM) geduldet würde.

Bei der Bildung des Kabinetts muss Babiš noch das Ergebnis der laufenden ČSSD-Abstimmung über die Beteiligung an der Regierung abwarten. Dieses will die ČSSD am 15. Juni mitteilen. Sollte die ČSSD dem Projekt zustimmen, will Babiš das Kabinett bis Ende Juni zusammenstellen und die übrigen Regierungsmitglieder von Zeman vereidigen lassen.

"Wir werden uns auf jeden Fall beeilen. Wir brauchen schnell eine stabile Regierung", sagte Babiš nach der Angelobung auf der Pressekonferenz in Anspielung darauf, dass die Regierungsbildung schon seit den Parlamentswahlen im Oktober 2017 dauert. Darüber, dass sein geplantes Minderheitskabinett erstmals seit 1989 von der KSČM geduldet werden soll, macht sich Babiš keine Gedanken. Auch die Staatspräsidenten Václav Havel und Václav Klaus seien mithilfe der Kommunisten gewählt worden, argumentierte Babiš.

"Angemessene Zeit"

Zeman sprach auf der Pressekonferenz über eine "angemessene Zeit" für die Zusammenstellung einer neuen Regierung. Er möchte sie "irgendwann Ende Juni" ernennen. Damit könnte die Vertrauensabstimmung Anfang oder Mitte Juli stattfinden. Babiš hatte früher den Termin 11. Juli genannt. Zu der beabsichtigten Duldung des Kabinetts durch die KSČM sagte Zeman, er sei an die Duldung "gewöhnt". Zeman war in den Jahren 1998-2002 Chef einer Minderheitsregierung, die von der konservativen Demokratischen Bürgerpartei (ODS) geduldet worden war.

Obwohl der Ausgang des ČSSD-Referendums noch nicht vorliegt, wird die Regierungsbildung schon jetzt von einer Kontroverse begleitet. Die ČSSD will ihren EP-Abgeordneten Miroslav Poche für das Amt des Außenministeriums nominieren. Dagegen stellt sich jedoch Zeman, der Poche vorwirft, er habe in der Vergangenheit die Ankunft von Migranten unterstützt. Die ČSSD beharrt jedoch auf ihrem Kandidaten. Poche hatte sich bei der heurigen Präsidentschaftswahl gegen Zeman eingesetzt. (APA, 6.6.2018)