Trudeaus Basis fordert endlich die Cannabislegalisierung.

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Schon seit Monaten hängen sie in vielen kanadischen Städten: Plakate, auf denen Händler und Lieferdienste ihre Services feilbieten, geschmückt mit Cannabisblättern und psychedelischer Symbolik. Eigentlich ist die Reklame für Cannabisprodukte illegal, und sie wird auch weiter ungesetzlich bleiben, selbst dann, wenn der kanadische Senat am Donnerstag tatsächlich das Legalisierungsvorhaben der Regierung absegnet. Doch die Händler wollen sich schon für die Zeit rüsten, wenn sie mit legalen Angeboten von Apotheken und lizenzierten Händlern in Konkurrenz treten. Die Polizei interessiert sich für ihr Business schon bisher nur wenig, sie konzentriert sich auf andere Delikte.

Doch während das Rauschmittel für die Exekutivkräfte schon seit geraumer Zeit keine große Sache mehr zu sein scheint, ist das für die Regierung von Premier Justin Trudeau anders. Für sie ist es eines jener Vorhaben, mit denen es dem Politiker mit dem jugendlichen Auftritt gelang, im Wahlkampf 2015 der angestaubten Liberalen Partei ein modernes Image zu geben. Nun, drei Jahre später, muss er liefern. Die Liberalen sind in Umfragen unter Druck geraten, erstmals seit langer Zeit liegen sie hinter den oppositionellen Konservativen. Es ist daher wichtig, zumindest der Basis zu signalisieren, dass man mit dem versprochenen Vorhaben vorankommt. Sogar die Sommerpause des Senats drohte die Regierung daher zu verschieben, um weiteren Blockadeaktionen zuvorzukommen.

Nüchterne Verpackungen

Doch auch wenn jetzt doch noch mit der Zustimmung des nicht vom Volk gewählten Oberhauses gerechnet wurde: Wenn Kanada im Sommer zum ersten großen Industriestaat wird, der Marihuana vollständig freigibt, werden viele Limits erhalten bleiben. Vor allem wollte die Regierung verhindern, dass sich rund um den Grasverkauf eine ähnliche Industrie entwickelt, wie sie beim Alkohol oder Nikotin entstanden ist – und wie man sie in diesen beiden Bereichen gerade erst mühsam zurückgedrängt hat.

Daher das Werbeverbot und die Vorschriften für eine nüchterne Gestaltung von Verpackungen – und daher die Perspektive für Anbieter im Graubereich, weiter mit dem Verkauf von Cannabisprodukten Geld zu machen, wenn sie den Rahmen des streng gesehen Erlaubten ein wenig ausweiten.

Debatte über weitere Drogen

Dem konservativen Teil der Opposition geht das freilich nicht weit genug. Dieser hat im Parlament mehrfach kritisiert, dass keine ausreichende gesetzliche Vorbereitung auf die Freigabe existiert. Dazu zählt etwa das Fehlen neuer Bestimmungen, wie mit berauschten Lenkerinnen und Lenkern im Straßenverkehr umzugehen sei. Er fragt aber auch nach, wie verhindert werden soll, dass der bisher illegale Cannabismarkt sich auf den Verkauf härterer und gefährlicherer Drogen umstellt. So, meinen Kritiker, sei es immerhin in mehreren US-Bundesstaaten zu beobachten, die schon bisher Besitz und Verkauf erlaubt haben.

Jene Lösung, die viele in der Basis der Liberalen befürworten, gefällt den Kritikern naturgemäß auch nicht. Anfang April hatten Mitgliederversammlungen der Liberalen mit großen Mehrheiten für Resolutionen gestimmt, nach denen sich die Partei auch für die Freigabe aller anderen illegalen Drogen in Kanada einsetzen soll. Davon will freilich die Parteiführung nichts wissen, die schon jetzt aus Umfragen herausliest, dass die plakativ vor sich hergetragene Toleranz Trudeaus zunehmend Wähler aus der Mitte verschreckt. Eine Legalisierung weiterer Drogen stehe nicht auf dem Plan, versichert sie daher immer wieder. Dabei gäbe es dafür durchaus Unterstützung: Denn die links von den Liberalen stehende New Democratic Party setzt sich schon bisher dafür ein, das Bestrafen Süchtiger über Drogengesetze durch Behandlung zu ersetzen. (Manuel Escher, 7.6.2018)