Bild nicht mehr verfügbar.

Das Leben im Ediacarium stellt Forscher vor Rätsel. Viele der Kreaturen lassen sich nicht im Stammbaum unterbringen.
Illustr.: Science Photo Library / picturedesk.com

Blacksburg/Wien – Das Zeitalter des Kambriums begann mit einer regelrechten Explosion: Während aus den Äonen davor verhältnismäßig wenige Fossilien erhalten sind, schien in den urzeitlichen Ozeanen vor 541 Millionen Jahren die Artenvielfalt binnen weniger Jahrmillionen dramatisch anzusteigen. Die plötzlich so zahlreichen Überreste, hauptsächlich harte Panzer und andere dauerhafte Körperteile, erwecken den Eindruck eines Formenreichtums und einer Komplexität bei den Bauplänen, die der Fauna der früheren Ära offenbar noch abgegangen waren – so zumindest interpretierte man lange Zeit die Fundlage aus dieser evolutionär so ereignisreichen Übergangszeit.

Mittlerweile äußern sich Paläontologen bedeutend vorsichtiger, was die sogenannte kambrische Artenexplosion betrifft. Entdeckungen der letzten Jahre zeichnen ein Bild des vorangegangenen Zeitalters, des Ediacariums, das von einem ebenso vielfältigen Leben bestimmt wurde – das allerdings wohl um einiges exotischer anmutet. Viele der rätselhaften Fossilien aus dieser Zeit vor 635 bis 541 Millionen Jahren – meist nur Abdrücke von weichen Körpern – lassen sich im Stammbaum kaum befriedigend einordnen.

Fremdartige Fauna

Manche Forscher bezweifeln gar, dass es sich bei diesen Wesen tatsächlich schon um Tiere im engeren Sinn handelte. Andere vermuten dagegen, dass sie Teil einer fremdartigen Fauna abseits der heute existierenden Entwicklungslinien waren, die mit dem Beginn des Kambriums wieder verschwand – ohne weitere Spuren im Stammbaum.

Im Sand der Ediacarium-Meere dagegen hinterließen einige dieser seltsamen Wesen durchaus ihre Spuren, entsprechende Funde sind allerdings äußerst rar. Ein internationales Forscherteam um Shuhai Xiao von der Virginia Tech in Blacksburg (USA) hat nun in der Dengying-Formation im Süden Chinas Abdrücke entdeckt, die sich in zweierlei Hinsicht als Sensation erweisen könnten: Zum einen dürften die in Doppelreihe gruppierten Dellen im Untergrund mit rund 550 Millionen Jahren die frühesten bekannten "Fußabdrücke" eines Tieres darstellen.

Die vermutlich ältesten bekannten tierischen Spuren der Erde: zwei Reihen kleiner Dellen im marinen Sediment. Ein damit assoziierter Bohrgang weist auf komplexes Verhalten des Urhebers der Abdrücke hin.
Fotos: NIGP

Zum anderen wurden die Spuren offenbar von einem millimeterkleinen Lebewesen mit bilateraler Körpersymmetrie und paarweise angeordneten, beinähnlichen Fortsätzen hinterlassen, das seinen Leib bei der Fortbewegung vom Sedimentboden abgehoben hat – möglicherweise also der Vorform eines Gliederfüßers oder eines Wurmes. Vergleichbares kannte man bisher nur aus dem Kambrium. Der im Fachjournal "Science Advances" präsentierte Fund untermauert damit erstmals frühere Vermutungen, wonach Bilateria mit Körperanhängseln evolutionär älter sind und tief im Ediacarium wurzeln.

Aussehen unbekannt

Und noch etwas konnten die Wissenschafter aus den Abdrücken schließen: Nachdem die Spuren mit dem Ausgang eines Bohrganges in Verbindung stehen, vermuten Xiao und seine Kollegen, dass sich die unbekannte Kreatur zumindest zeitweise durch den Meeresboden gewühlt hat, vielleicht auf der Suche nach Nahrung oder um Sauerstoff aufzunehmen. Wie der Urheber der Fährte im Detail ausgesehen haben mochte, bleibt allerdings vorerst rätselhaft: Keines der bis dato bekannten Ediacarium-Fossilien scheint dazu zu passen. (Thomas Bergmayr, 6.6.2018)