Gespannt-gute Laune auf Fotos vor dem Treffen. Sebastian Kurz und Jean-Claude Juncker sollen durchaus kontrovers diskutiert haben.

APA/ROLAND SCHLAGER

Wenn man auf Reisen geht, ist das immer mit Aufregung verbunden. Die Erwartungen sind hoch, sie regen an. Fährt man in der Gruppe, wird das alles umso stärker. Fast jeder kennt das von den Klassenreisen oder den Skikursen in der Jugend. Alle sind zu Beginn aufgekratzt.

Nicht viel anders war es am Mittwoch, als die gesamte österreichische Bundesregierung in Brüssel einflog, um sich zu Mittag mit (fast) allen EU-Kommissaren zu treffen. Ziel war es, das seit Monaten in Arbeit befindliche Arbeitsprogramm für den ab 1. Juli beginnenden EU-Vorsitz durch Österreich zu besprechen – nur diesmal eben auf der höchstmöglichen Ebene, gemeinsam mit Präsident Jean-Claude Juncker.

Inhaltlich sollte es dazu – zumindest was die von Bulgarien übernommenen unerledigten Aufgaben betrifft – wenig Überraschendes geben. Österreich muss helfen, Kompromisse zu ermöglichen.

Kein Migrations-Konsens

Die Union wird in den kommenden Monaten vor allem den Brexit über die Bühne bringen müssen, den mittelfristigen EU-Budgetrahmen zumindest andiskutieren. Und sich intensiv mit der Suche nach Lösungen bei der gemeinsamen Asyl- und Migrationspolitik kümmern müssen, um den Schutz der Außengrenzen, weil jetzt schon feststeht, dass es bis Juli keinen Konsens, keine Beschlüsse geben wird. Die EU-Staaten sind da total zerstritten.

So weit schien der Auftritt klar, eine Routinesache, als der Konvoi kurz nach zehn vor der Ständigen Vertretung Österreichs vorfuhr. Rund 200 Mitarbeiter von Botschaft, Verbänden und Lobbys, die jetzt sechs Monate lang für Österreich Tag und Nacht rackern müssen, warteten bereits eine Stunde auf eine Motivationsrede von Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache. Das Lob der beiden für sie war dann riesig.

Economyclass und Privatjets

Die Regierung kam mit der AUA-Linienmaschine, Economyclass, um Sparwillen und Volksnähe zu zeigen, was die Opposition in Wien dennoch als Verschwendung kritisierte. Für Kurz und Strache unverständlich. Der SPÖ-Kanzler Christian Kern sei immer im Privatjet geflogen, spottete der FPÖ-Chef. Aber solchen Kleinkram sollte die demonstrative Harmonie gemäß der Regierungsregie nicht trüben. Kurz betonte, welche "große Verantwortung" der EU-Vorsitz bedeute, man wolle "Brücken bauen", die Präsidentschaft professionell abwickeln, "Europa sicherer machen", und das fehlte nie: "vor allem den Schutz der EU-Außengrenzen verstärken".

Strache zeigte sich in allem ganz auf der Linie seines Koalitionspartners, obwohl beim Thema Flüchtlinge zumindest einen Akzent schärfer formuliert. Als er von Journalisten gefragt wird, wie das mit seiner Forderung nach Einschränkungen bei der Personenfreizügigkeit sei, winkt er gleich ab: "Ich habe keine Einschränkung gefordert, nur auf ein Problem aufmerksam gemacht. Darüber solle man reden können."

"Sportliche" Debatten um Migration

"Wir wollen Erfolg", sagt Justizminister Josef Moser, ehe es weiter in die Kommission geht. Kurz und Strache haben ein langes Sechsaugengespräch mit Juncker, dann folgt ein Arbeitsessen der Regierung mit den EU-Kommissaren.

Dieses lief offenbar nicht ganz so routiniert ab wie sonst Vorbereitungen von EU-Vorsitzen. Es sei vor allem bei den Themen Migration und EU-Budget "sehr intensiv" zugegangen, "sportlich", hieß es im Anschluss aus der Kommission, "lebhaft", sagten andere. Innenminister Kickl hatte eine harte Migrationslinie vorgetragen, Kurz und Strache die Wünsche nach einem knappen EU-Budgetrahmen. Juncker und EU-Budgetkommissar Günther Oettinger hielten dagegen. Ein reinigendes Gewitter.

Vor Journalisten lobte Juncker die Gäste ungewöhnlich deutlich, er habe "große Erwartungen", denn Österreich sei "ein klassisches Brückenland". Kurz nickte zufrieden. Auch als Juncker Strache erwähnte: "Ich habe den Eindruck, dass Regierung und Kommission sich Hand in Hand aufeinander zubewegen", sagte der Präsident. (Thomas Mayer, 7.6.2018)