Hutu-Flüchtlinge in einem Camp in der Provinz Nord-Kivu in der Demokratischen Republik Kongo. "Die Tatsache, dass wir das Leiden dieser Menschen nicht sehen, macht ihr Leiden kein bisschen weniger real, und es entbindet uns nicht von unserer Pflicht zu handeln", sagt Jan Egeland, Generalsekretär des norwegischen Flüchtlingsrats.

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Wien – Mehr als 80 Prozent der Flüchtlinge weltweit leben laut UN in Staaten mit niedrigem oder mittlerem Einkommen – ein Großteil davon in Subsahara-Afrika. Medial und politisch erhalten diese Flüchtlingskrisen aber nur wenig Beachtung, wie auch ein aktueller Bericht des Norwegischen Flüchtlingsrates (NRC) zeigt. Die Demokratische Republik Kongo führt dabei die Liste der am meisten missachteten Krisen an.

Fast alle Krisen auf dem afrikanischen Kontinent haben sich im vergangenen Jahr verschärft. "Obwohl die Situation in der Zentralafrikanischen Republik, die letztes Jahr ganz oben auf der Liste stand, sich noch weiter verschlechtert hat, hat das Ausbrechen neuer Konflikte in der Demokratischen Republik Kongo und die sich rapide verschlechternde humanitäre Lage im Südsudan zu einer Umbesetzung an der Spitze dieser traurigen Liste geführt", erläuterte Jan Egeland, Generalsekretär der NRC-Flüchtlingshilfe. "Das war auch die größte Überraschung für uns", sagte die Co-Autorin der Studie, Tiril Skarstein, zum STANDARD.

Subsahara-Afrika unterrepräsentiert

Laut dem Bericht des Flüchtlingsrates, der am Donnerstag veröffentlicht wurde, sind sechs der zehn am meisten missachteten Flüchtlingskrisen weltweit in Subsahara-Afrika zu finden. Auf den Kongo und den Südsudan folgen auf der diesjährigen Liste die Zentralafrikanische Republik, Burundi, Äthiopien, Palästina, Myanmar, der Jemen, Venezuela und Nigeria.

Diese Krisen würden es "ganz selten in die Schlagzeilen schaffen", so Egeland. So wären auch die meisten Leute "überrascht, wenn sie erführen, dass die Zahl der Menschen, die humanitärer Hilfe bedürfen, in der DR Kongo mittlerweile genauso hoch ist wie in Syrien. Dennoch liegt das Maß an Aufmerksamkeit, die diesen beiden Krisen zuteilwird, meilenweit auseinander", sagt der Generalsekretär in einer Aussendung. Für Skarstein hat das auch mit der Betroffenheit der Menschen in der westlichen Welt zu tun: "Der Syrien-Konflikt ist uns mit den Flüchtlingen nahe gekommen", sagt sie: "Die Betroffenen aus den afrikanischen Staaten auf der Liste erreichen unsere Türschwellen aber nicht."

Mangelnde geopolitische Bedeutung

Es scheine wenig Bereitschaft vorhanden zu sein, einen Ausweg aus vielen dieser Krisen zu finden. "Bei manchen Orten ist dies der mangelnden geopolitischen Bedeutung geschuldet, während es bei anderen zu viele Parteien und Akteure mit widersprüchlichen Interessen gibt, und dabei zu wenige, die bereit sind, die Interessen der Zivilbevölkerung zu schützen."

Der NRC veröffentlicht die Liste der am meisten missachteten Krisen seit drei Jahren. Sie basiert auf drei Kriterien: mangelnde Finanzierung, mangelnde Medienpräsenz und politische und diplomatische Missachtung. Die Liste solle "als Erinnerung fungieren", so Egeland. "Die Tatsache, dass wir das Leiden dieser Menschen nicht sehen, macht ihr Leiden kein bisschen weniger real, und es entbindet uns nicht von unserer Pflicht zu handeln", betonte er. Dabei sei der Name "missachtete Krisen" bewusst gewählt, wie Skarstein sagt: "Denn diese Konflikte sind nicht nur vergessen, sondern werden bewusst vernachlässigt." (APA, red, 7.6.2018)