Russlands Alleinunterhalter am Donnerstag: Wladimir Putin.

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Besucher empfing der Gostiny Dwor (Gasthof) am Donnerstag entgegen seinem Namen nicht. Ein Großaufgebot der Polizei hatte das Warenhaus und Ausstellungszentrum weiträumig abgesperrt. Lediglich von einer Seite des mehrere Straßenzüge umfassenden Gebäudes waren zwei Eingänge geöffnet, einer für Journalisten, der andere für die Kreml-Beamten. Die geladenen Journalisten wurden einer peniblen Sicherheitskontrolle unterzogen. Wie jeder Auftritt des Kreml-Chefs ist auch dieser Direkte Draht eine Hochsicherheitsveranstaltung.

Es ist bereits die 16. Auflage der Bürgersprechstunde Putins. Von den Bürgern ist der Kreml-Chef allerdings weiter weg als zuvor: Gäste waren zumindest diesmal nicht im Studio, dafür hatte Putin selbst die Möglichkeit, Minister und Gouverneure zuzuschalten, um die schärfsten Fragen an sie weiterzureichen. So auch bei der derzeit in Russland für den größten Wirbel sorgenden massiven Steigerung der Benzinpreise, für die Putin die Regierung verantwortlich machte. Energieminister und Vizepremier versprachen dann auch brav Besserung.

Insgesamt gehe es den Russen allerdings immer besser, konstatierte Putin, als er mit Wachstums- und Inflationsziffern, dem Handelsbilanzplus und Statistiken zu höheren Lebensstandards und längerer Lebenserwartung jonglierte. Russland nähere sich der "Glückssträhne". "Nicht jeder Mensch fühlt es, aber das sind die objektiven Daten", so Putin.

Schwere Folgen für Ukraine

Die meisten Fragen der Zuschauer waren auf die Lösung sozialer Probleme – Medizin, Transport, Wohnungsnot, Einkommen und Renten – gerichtet, die Außenpolitik war nur Randthema. Dabei ließen Putins Aussagen zur Ukraine aufhorchen. So drohte er Kiew für den Fall eines neuen Aufflammens des Donbass-Konflikts während der Fußball-WM. Sollte Kiew Kämpfe "provozieren", werde das "schwere Folgen für die Staatlichkeit der Ukraine insgesamt haben", sagte Putin.

Zugleich äußerte er sich zuversichtlich, dass die westlichen Sanktionen fallen werden. Gerade in Europa wachse die Einsicht, dass die USA nur ihre eigenen nationalen Interessen vertreten, die sich nicht mehr mit denen der Europäer deckten. Putin verwies dabei sowohl auf seinen jüngsten Besuch in Wien als auch auf die Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Mit Macron und Merkel duze er sich, gab er später zum Besten. Einer der Fragesteller duzte dann auch Putin – zumindest schriftlich: "Bist du nicht müde, Wolodja", las Putin die Frage vor und antwortete kurz: "Bisher nicht". Nach viereinhalb Stunden war dennoch Schluss – zumindest mit dem diesjährigen TV-Marathon.

Danach stellte sich Putin noch knapp zehn Minuten den Fragen der Journalisten, wobei er unter anderem die Inszenierung des Mords am Journalisten Arkadi Babtschenko durch den ukrainischen Geheimdienst als "kontraproduktiv" bezeichnete. Dann war schließlich auch der Kreml-Chef müde und ging. Es werde aber auch im nächsten Jahr noch einen TV-Marathon geben, versprach er. (André Ballin aus Moskau, 8.6.2018)