Wie wir Musik hören, hat sich heute drastisch verändert. Statt Songs von Anfang an zu hören, klicken wir auf Youtube gerne mitten hinein. Während noch das eine Stück läuft, wird schon das nächste vorgeschlagen. Wer sich zum raschen Weiterklicken verlocken lässt, verliert sich leicht in einer Welt, in der ständig alles anfängt und nie etwas zum Ende kommt.

An das Leiden, das einen dabei befällt, denkt man angesichts der Videoarbeit AAA (Mein Herz) der serbischen Künstlerin Katarina Zdjelar. Eine Sängerin arrangiert sich darin mit einem fahrig geschnittenen Musikmix. Zwischen Pop, Rachmaninoff und Schubertlied wird hin- und hergeschaltet; ungeschnitten ist dagegen jene Nahaufnahme, in der man die emotionalen Regungen im Gesicht der Sängerin gewahrt. Wie mühelos die Gefühle auf der Tonspur wechseln, denkt man, und wie träge dagegen der Mensch ist!

Bilder erschöpfter Musiker begleiten die brüchige Interpretation des Songs "Malaika" durch das Nationalorchester von Ghana. Zdjelar weist damit auf die prekäre Situation des Klangkörpers hin.
Courtesy of the artist & SpazioA

Brüchige Orchestermusik

Zu sehen ist das Video in der aktuellen Personale Zdjelars im Kunstverein Salzburg. Pointiert konzipiert und einnehmend umgesetzt sind auch die anderen beiden Arbeiten der 1979 geborenen Künstlerin. Im ungleich politischeren Video My Lifetime (Malaika) steht wiederum die Reflexion über Musik im Zentrum.

Zu hören ist eine zerrüttete Interpretation des Songs Malaika durch das Nationalorchester von Ghana. Das ostafrikanische Lied, das u. a. in der Version Harry Belafontes mit Miriam Makeba bekannt wurde, erklingt brüchig und voll hymnischer Verstimmtheit. Angespielt wird damit auf die prekäre Situation des Orchesters.

Neue Blicke auf den expressionistischen Tanz der deutschen Choreografin Dore Hoyer wirft Katarina Zdjelar in der Videoinstallation "Not A Pillar Not A Pile (Tanz für Dore Hoyer)".
Courtesy of the artist & SpazioA

Mikroskopierter Tanz

Gegründet nach dem Unabhängigkeitskrieg in den 1950ern, steht es für den Versuch, eine neue Kultur zu etablieren. Heute wird der Klangkörper kaum gefördert, die Abschaffung wäre aber dennoch von zu großer politischer Tragweite. Auf diesen komplexen Missstand weist Zdjelar hin, wenn sie im Bild ramponierte Instrumente und erschöpfte Musiker zeigt. Diese müssen sich tatsächlich mit Nebenjobs über Wasser halten.

Eine Reflexion über die Tanzkunst ist die zentrale Arbeit der Schau. Sie bezieht sich auf die deutsche Choreografin Dore Hoyer, die 1946 der Künstlerin Käthe Kollwitz und deren nachdrücklichem Engagement für die sozial Schwachen ein Stück widmete. Zdjelar macht in einer Videoinstallation den tänzerischen Expressionismus Hoyers neu erfahrbar: In geloopten Close-ups und mit konzentriertem, entschleunigtem Blick wird die Choreografie gewissermaßen mikroskopiert. (Roman Gerold, 8.6.2018)