Bis zu den Europawahlen im Mai 2019 ist noch viel Zeit. Aber wenn man tief in die europäischen Parteienfamilien und Fraktionen im EU-Parlament hineinhört, in denen sich Parteien aus den Nationalstaaten zusammenschließen, könnte man glauben, die Wahl stehe kurz bevor: Es geht bereits eine Riesennervosität um.

Das betrifft vor allem die großen Volksparteien, Christdemokraten (EVP) und – noch mehr – die Sozialdemokraten (S & D). Umfragen zeigen: Würde am Sonntag gewählt, bekäme die EVP statt 219 wohl nur noch rund 180/190 Mandate (von insgesamt 700), die Sozialdemokraten stürzten gar von 189 auf etwa 140/150 ab. Für Volksparteien, die das gemeinsame Europa nach dem Krieg aufgebaut und die EU-Institutionen nach Belieben dominiert haben, ein Desaster. Ihre Mehrheit im EU-Parlament wäre weg.

Auch die Grünen verlören an Boden. Die Liberalen könnten dazugewinnen, ein Trend: Es gibt derzeit mehr liberale Regierungschefs als von der EVP (acht), nurmehr fünf Sozialdemokraten. Profitieren würden die EU-skeptischen Populisten, siehe Italien. Kein Wunder, dass es beim Treffen von Europas Christdemokraten informell nur ein Thema gab: Wie kann die EVP die "Schlacht" gegen die (rechten) EU-Skeptiker gewinnen? Die Antwort ist eindeutig. Sie will das Thema Sicherheit, Schutz vor illegaler Migration, Grenzschutz besetzen. Generell soll Politik pragmatischer werden, mit Themen, die den Bürgern unter den Nägeln brennen, anstatt "alte" hehre Friedensziele zu beschwören.

Dementsprechend ist ein Personalwechsel vorprogrammiert: Die Generation Jean-Claude Juncker, Angela Merkel oder Michel Barnier (alle über 60) wird früher oder später abgelöst. Die jungen Löwen, wie sie intern genannt werden, drängen an die EVP-Spitze: Premiers wie Leo Varadkar aus Irland, Andrej Plenkovic aus Kroatien, Sebastian Kurz oder Fraktionschef Manfred Weber. (Thomas Mayer, 7.6.2018)