Die von der Regierung eingesetzte Strafrechtsarbeitsgruppe überlegt verschärfte Melde- und Dokumentationspflichten für Ärzte. Zuständige Staatssekretärin im Innenministerium ist Karoline Edtstadler.

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Zu den Aussagen von Staatssekretärin Karoline Edtstadler, die als Leiterin der Taskforce Strafrecht verstärkte Melde- und Dokumentationspflichten für Ärzte im Zusammenhang mit psychisch erkrankten Menschen gefordert hat, ist Folgendes zu sagen: Der populistische Kurzschluss, "Datenschutz darf nicht zum Täterschutz werden", hält keinen rechtlichen Argumenten stand. Datenschutz ist nicht Täterschutz, auch jetzt nicht!

Durch die Umsetzung der DSGVO (Datenschutzgrundverordnung), die gerade gesellschaftspolitisch aktuell ist und die in diesem Zusammenhang offensichtlich bedient wird, um Ängste zu schüren, kommt es zu keinerlei Veränderung hin zu mehr Datenschutz im Bereich des Gesundheitssystems, was aber mit dieser Aussage suggeriert wird. Um zu verdeutlichen, was sie meint, erwähnt Edtstadler als Beispiel einen Mord, der letztes Jahr im Pongau verübt worden ist. Es sei ortsbekannt gewesen, dass der Mann in psychiatrischer Behandlung war, der Polizei sei aber diese Information nicht zugänglich gewesen, um ihm die Waffe abzunehmen.

Die Tragik dieses Falls ist unüberbietbar. Ich stimme in diesem Punkt mit der Staatssekretärin überein, dass wir alles tun müssen, um derartige Tragödien zu verhindern. Das kann allerdings nicht mit einer verschärften Melde- und Dokumentationspflicht erreicht werden. Denn bereits jetzt besteht eine obligatorische Meldepflicht nach dem Unterbringungsgesetz an die Exekutive, wenn das Gericht eine Unterbringung in einer psychiatrischen Abteilung für zulässig erklärt.

Unhaltbare Forderung

Im Jahr 2017 kam es österreichweit zu 25.256 Meldungen von Menschen, die nach dem Unterbringungsgesetz gegen ihren Willen an psychiatrischen Abteilungen angehalten waren. Bei all diesen Menschen wurde von den Ärzten eine ernstliche oder erhebliche Selbst- und/oder Fremdgefährdung diagnostiziert und keine andere Möglichkeit einer Behandlung gesehen. Wenn es nicht zu einem raschen Abklingen der Akutsituation kommt, wird automatisch ein Gerichtsverfahren durchgeführt, ein unabhängiger Sachverständiger beigezogen, die Unterbringungsvoraussetzungen überprüft und eine Unterbringungsdauer festgelegt. Kommt es in diesem Zeitraum zu keinem Abklingen der Gefährdung, kann von den Ärzten auch ein Antrag auf Verlängerung gestellt werden. Darüber hinaus sei angemerkt, dass nur circa ein Viertel (Bericht der GÖG 2014 bis 2015: 26 Prozent) aller Aufnahmen an psychiatrischen Abteilungen Unterbringungen sind.

Eine Meldepflicht von Ärzten, die Menschen betrifft, die wegen psychischer Krisen und Krankheiten in Behandlung sind, ist menschenrechtlich unhaltbar, ganz davon abgesehen, dass das unadministrierbar und höchst kontraproduktiv wäre. Wer wird sich noch Hilfe holen, wenn das bedeutet, aktenkundig und in irgendeiner Form überwachungsbedürftig zu sein? Schneller als mit diesem Vorschlag kann man die Psychiatriereform nicht umkehren, die professionelle Arbeit von Jahrzehnten zunichtemachen und die Gesundung von sehr vielen Menschen gefährden!

Welche Task Force brauchen wir?

Wenn wir eine derartige Zuspitzung von dramatischen Gefährdungssituationen wirklich verringern wollen, brauchen wir eine "Taskforce in Prävention und Entstigmatisierung psychischer Krankheiten" und nicht einen einseitigen unrealistischen Ruf nach Überwachung und Pseudosicherheit. Was wir brauchen, ist Wissen über psychische Erkrankungen in der Allgemeinbevölkerung sowie niederschwellige und kassenfinanzierte psychiatrische, psychotherapeutische und psychologische Therapieangebote vor Ort und für jede Altersstufe. Kränkung und Isolation heißen die Trigger für Gefährdung, wenn es unter dem Einfluss von psychischen Erkrankungen zu Gewalt und zu Straftaten kommt, das kann man in vielen Fachjournalen nachlesen. Eine Meldepflicht würde diese nur verschärfen. (Christine Müllner-Lacher, 8.6.2018)