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Kanada ist bereit für das G7-Gipfeltreffen, das am Freitag und Samstag in der Provinz Québec stattfindet. Der Ausgang ist höchst ungewiss.

Foto: Reuters / Yves Herman

Erstens kommt es anders, und zweitens, als man denkt. Das trifft sicher auf den G7-Gipfel in Kanada zu. Wenn sich die Regierungschefs der sieben führenden Industrienationen am Freitag und Samstag im Manoir Richelieu in La Malbaie treffen, einem malerischen Städchen in der Provinz Québec, lautet das offizielle Thema eigentlich "Die Gleichstellung der Geschlechter".

Das ist eines der Lieblingsthemen des kanadischen Premiers und G7-Gastgebers Justin Trudeau. Aber Beobachter erwarten schwierige Gipfelgespräche, die sich vor allem mit Donald Trumps Protektionismus befassen werden. Sechs der sieben Regierungschefs haben nämlich eines gemeinsam: Sie sind sauer auf den US-Präsidenten, der erst kürzlich befreundeten Ländern wie Kanada, Mexiko und Mitgliedern der Europäischen Union massive Strafzölle auf deren Exporte auferlegt hat.

Kurz vor dem Gipfel griff Trump Kanada und die EU noch einmal scharf an: Die Länder verlangten hohe Zölle und hätten andere Handelsbarrieren errichtet. Das sei gegenüber US-amerikanischen Bauern, Arbeitern und Unternehmen unfair. Würden Zölle und Handelshürden nicht abgebaut, würden die USA mit härteren Maßnahmen reagieren. Außerdem sprach er sich dafür aus, die G7 um das von den westlichen Staaten mit Sanktionen belegte Russland zu erweitern, was auch den Gefallen des neuen italienischen Regierungschefs Giuseppe Conte fand.

Freundliches Gruppenbild

Angesichts der schwelenden Konflikte ist es schwer vorstellbar, dass sich die Staats- und Regierungschefs aus Deutschland, Japan, Kanada, Italien, Frankreich, Großbritannien und den USA jetzt auf Themen wie die Förderung der Ausbildung von Mädchen konzentrieren werden. Auch ein freundliches Gruppenbild wird nicht über Animositäten hinwegtäuschen können.

Bevor Donald Trump die Strafzölle einführte, haben sich die G7-Partner wenigstens nach außen hin die Mühe gegeben, mit ihm freundlich zu parlieren und lächelnd für Fotos zu posieren. Trudeaus frühere Besuche in Washington sind wahre Charmeoffensiven gewesen. Auch der französische Präsident Emmanuel Macron schmeichelte dem US-Präsidenten. Aber jetzt machen die Regierungschefs aus ihrer Entrüstung kein Hehl mehr. Der sonst so höfliche Trudeau erklärte, er sehe keinen gesunden Menschenverstand in den Strafzollaktionen des Weißen Hauses.

Trudeau und Macron haben sich am Donnerstag vor dem Gipfel in Ottawa getroffen. Kaum jemand glaubt, dass sich ihr Gespräch um den Plastikmüll in den Ozeanen und den Klimawandel gedreht hat, Themen, die Trudeau ebenfalls auf die Agenda des Gipfels gesetzt hatte. Es ging wohl eher darum, wie man in La Malbaie mit Trump umgehen soll.

Schon revanchieren sich G7-Nationen für Trumps politische und wirtschaftliche Ohrfeigen. Kanada will im Gegenzug beispielsweise Strafzölle in der Höhe von rund zehn Milliarden Euro auf US-Güter aufschlagen. Das erbost Trump, der nun weitere Strafzölle für Kanada erwägt.

Heftige Proteste erwartet

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel trifft Trump erstmals wieder persönlich, nachdem sie Ende Mai erklärt hat, sie sehe in den USA keinen verlässlichen Partner mehr. Auch Großbritanniens Premierministerin Theresa May beklagte sich kürzlich in einem Anruf bei Trump über die Strafzölle. Freunde behandle man nicht so.

Die Empörung der G7-Partner ist im Weißen Haus nicht unbemerkt geblieben. Die Washington Post zitierte anonyme Mitarbeiter Trumps, wonach der US-Präsident vorhabe, beim G7-Gipfel die anderen Regierungschefs mit seiner Sicht zu konfrontieren, wie sehr das globale Wirtschaftssystem die USA benachteilige. Das dürfte die Spannungen noch verstärken. Da Trump mit Vorliebe Protokolle missachtet, muss mit seinen Ausfällen gerechnet werden. Den G7-Partnern könnte die Lust vergehen, freundliche Miene zum bösen Spiel zu machen.

Die tausenden Polizisten, die während des Gipfeltreffens im Einsatz sind, stehen indes für andere Konfrontationen bereit. Es werden heftige Proteste erwartet, weniger in der abgeschotteten Gegend von Charlevoix, sondern eher in der 150 Kilometer entfernten Stadt Quebec City, weil es für Demonstranten einfacher ist, dorthin zu gelangen. In Quebec City befindet sich auch das Zentrum für die internationalen Medien, die die Gipfelaktivitäten auf Bildschirmen mitverfolgen können.

Einigkeit, wenn einer ausschert

In La Malbaie geht es aber den sechs Regierungschefs letztlich darum, unter sich Einigkeit zu demonstrieren, auch wenn Trump ausschert. Japans Botschafter in Kanada, Kimihiro Ishikane, sagte der Agentur Canadian Press, es gebe gegensätzliche Meinungen, "aber der springende Punkt ist, ob wir wirklich Solidarität demonstrieren können, Einigkeit ist hier die Frage." Es gehe um die Widerstandsfähigkeit der liberalen Demokratie und des freien Marktes.

Es gibt bereits Stimmen, die von "G6 plus eins" sprechen. Früher gab es eine G8-Gruppe, aus der Russland 2014 nach der Annektierung der Krim ausgeschlossen wurde. Es muss nicht so weit kommen, aber derzeit sieht es danach aus, als ob Trump nur einen Tag bleiben und vielleicht das Schlusskommuniqué nicht unterzeichnen würde. (Bernadette Calonego aus Vancouver, 8.6.2018)