Die mediale Berichterstattung über den G7-Gipfel in Kanada und das Zusammentreffen von Donald Trump und Kim Jong-un in Singapur waren jeweils von einem bemerkenswerten Foto geprägt. Eines der Bilder entstand am zweiten Tag des G7-Gipfels in Charlevoix und wurde über offizielle Social-Media-Kanäle von Angela Merkel verbreitet. Das vom deutschen Regierungsfotografen Jesco Denzel aufgenommene Bild zeigt eine Verhandlungssituation im Rahmen des Gipfels. Bereits kurz nach seiner Veröffentlichung verbreitete sich das Foto viral und wurde zum Gegenstand unterschiedlichster Bearbeitungen und Interpretationen – wie "Mirror", "Esquire" oder "Independent".

Ein Grund für den Erfolg des Fotos liegt in seiner außergewöhnlichen Komposition und einer scheinbar zentralen Blickbeziehung zwischen der sich auf einen Tisch stützenden deutschen Kanzlerin und dem mit verschränkten Armen auf der anderen Seite des Tisches sitzenden US-Präsidenten. Das Foto erscheint aber nicht nur aufgrund seiner kompositorischen Qualität außergewöhnlich, sondern auch aufgrund des Bruchs mit einer konventionalisierten Gipfelikonographie, die traditionell Harmonie und zwischenstaatliche Gespräche in den Vordergrund stellt – zum Beispiel beim so genannten "Familienfoto" der Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

Bild mit (Handschlag)Qualität

Das andere Foto entstand zu Beginn des Zusammentreffens zwischen Trump und Kim Jong-un am 12. Juni in Singapur. Es zeigt eine Begrüßungsszene mit Handschlag vor dem Hintergrund aufgereihter Fahnen der USA und Nordkoreas. Obwohl das Foto dem klassischen Bildrepertoire politischer Begegnungen entspricht, ist es doch außergewöhnlich. Denn es zeigt den US-amerikanischen Präsidenten und den nordkoreanischen Diktator als Akteure, die einander auf Augenhöhe auf einer internationalen Bühne begegnen. Diese Inszenierung kann als Geste der Anerkennung und als propagandistischer Erfolg des nordkoreanischen Regimes interpretiert werden.

In beiden Fällen handelt es sich um Fotos, die bei so genannten Photo Opportunities entstanden sind. Dabei wird durch die Gestaltung des Settings, die Auswahl des Zeitpunkts und die Platzierung der Fotografen ein Rahmen abgesteckt, in dem die Herstellung von Fotos ermöglicht wird. Damit entscheidet sich, was von einem Ereignis sichtbar gemacht wird, und welche Aspekte verborgen bleiben.

Die unterschiedlichen Perspektiven auf das G7-Foto durch offizielle Fotografen der teilnehmenden Politikerinnen und Politiker verdeutlichen, dass dabei selbstverständlich auch die Intentionen und strategischen Selbstinszenierungen der Auftraggeber eine Rolle spielen. Beim Foto aus Singapur wiederum, bei dem auch Fotojournalisten anwesend waren, wurden die Perspektiven auf das Ereignis durch die Gestaltung des Settings, die Gesten der Akteure und den Zeitpunkt der Aufnahme beeinflusst.

Politische Symbolik

Obwohl beide Fotos Momentaufnahmen darstellen, wurden sie durchwegs als aussagekräftig für die Verläufe und Ergebnisse der beiden politischen Top-Ereignisse interpretiert. Unter den vielfältigen Deutungen, die das G7-Foto seit seiner Verbreitung am 9. Juni aufgerufen hat, sticht eine als besonders dominant hervor: Das Bild bringe prägnant das Ende einer westlichen Allianz zum Ausdruck. Gemäß dieser Lesart sei das Foto, das gespannte Beziehungen symbolisch verdichtet, als ein Sinnbild für Trumps Verhältnis zu anderen westlichen Staaten zu interpretieren.

Auch dem Foto aus Singapur wird medial eine symbolische Qualität attestiert, wenn beispielsweise von einer historischen Begegnung Trumps mit Kim Jong-un die Rede ist. Die Nachrichtenagentur Agence France-Presse reiht den Handschlag gar in einen Traditionszusammenhang berühmter Vorbilder ein.

Die Bedeutung, die den beiden Fotos zugeschrieben wird, verweist auf eine stetig wachsende Aufmerksamkeit für Bildmaterial in den internationalen Beziehungen – und zwar nicht nur seitens politischer Akteure und Medienvertreter, sondern auch seitens eines kreativen und zunehmend kritischen Publikums in sozialen Netzwerken, das den inszenatorischen Charakter strategischer politischer Kommunikation nicht nur zu hinterfragen, sondern auch zu ironisieren weiß.

Das Wissen um den Umstand, dass Bilder stets nur einen Ausschnitt der Wirklichkeit zeigen, bewahrt zwar nicht immer vor vorschnellen Interpretationen – es kann aber dabei helfen, die an Bilder anknüpfenden dominanten Erzählungen zu hinterfragen. Denn die Verläufe und Ergebnisse politischer Gipfel sind deutlich komplexer und häufig auch ambivalenter, als dies einzelne Bilder nahelegen. (Petra Bernhardt, Karin Liebhart, 14.6.2018)