vl.: Markus Breitenecker (ProSieben Sat1 Puls4), Rainer Nowak (Die Presse), Ladina Heimgartner (SRG), Armin Thurnher (Falter), Alexander Wrabetz (ORF).

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Wien – Der Begriff "Public Value" wird häufig strapaziert, am zweiten Tag der Medienenquete widmete sich eine Podiumsdiskussion seiner Definition. Öffentlicher Mehrwert, gesellschaftliche Leistung, Grundversorgung, öffentlich-rechtlicher Auftrag? Der Definitionsraum war weit gesteckt, und die Diskussion kam auch diesmal nicht an der Frage vorbei, woher das Geld dafür kommen soll und wer es bekommt.

Wer über Public Value diskutiere, müsse auch die Rolle des Boulevards thematisieren: Österreich gehöre zu den Ländern mit den bestfinanzierten Boulevardzeitungen, sagt "Falter"-Herausgeber Armin Thurnher: Über Förderungen und vor allem Inserate würden hunderte Millionen Euro in den Boulevard fließen, kritisiert er. "Das politische Entscheidungsgewicht liegt beim Boulevard", konstatiert Thurnher, der ein Doppelspiel der Falschmeldungen sieht: "Zwischen der 'Kronen Zeitung' und Facebook." Um die Macht von Facebook zu reduzieren, sollten Politiker mit gutem Beispiel vorangehen und sich von der Plattform verabschieden. Egal ob sie jetzt 800.000 Fans oder 250.000 hätten: "Hier wäre ein öffentlich symbolischer Akt des Verzichts sinnvoll. Politik muss sich selbst beschränken."

Conrad: Förderung von Inhalten, nicht von Institutionen

Über die "Finanzierung von Public Value zu reden", plädierte zum Auftakt ProSieben Sat.1-Chef Conrad Albert. Er trat in seiner Keynote für eine Förderung von Inhalten, nicht von Institutionen ein. Anders sah das Noel Curran von der European Broadcasting Union in seinem Input: Dass sich etwa in Irland nun ein TV-Sender im Eigentum eines globalen Konzerns um Gebührengelder bewerben dürfe, sei für ihn unbegreiflich.

Breitenecker-Modell: Umschichtung der ORF-Werbeerlöse

ProSiebenSat.1Puls4-Chef Markus Breitenecker ortete derzeit einen Konsens, dass "die ORF-Gebühren nicht gesplittet werden sollen". Frisches Geld für den Mediensektor könne aber durch eine Umschichtung der Werbeerlöse des Öffentlich-rechtlichen kommen, was wiederum durch jene Gebührenteile, die derzeit an Länder und Bund gehen, refundiert werden könnte. Das Minus, das den Ländern entsteht, würde Breiteneckers Modell zufolge dann durch eine Digitalsteuer, mit der Google und Facebook zur Kasse gebeten werden soll, abgedeckt werden. Profiteure der ORF-Werbeeinnahmen sollten nach Breiteneckers Modell mehrere Medien sein, die Public Value produzieren. Die Vergabe der Gelder könne dabei durchaus beim ORF angesiedelt sein, wenngleich er eine neutrale Behörde präferiere. Derzeit entscheidet die RTR, wer in den Genuss von Förderungen kommt.

Breitenecker erneuerte seine Forderung nach einem Schulterschluss zwischen auf der einen Seite öffentlich-rechtlichen Sendern und Privaten und auf der anderen Seite zwischen europäischen Staaten, um einen Gegenpol zu den US-Giganten Facebook und Google aufzubauen: "Ein zweites Facebook zu machen, wird uns nicht gelingen", so Breitenecker, aber: "Wir können aber in der nächsten technologischen Welle in Europa dabei sein."

Wrabetz: Konsens für Eingriffe in den Markt

"Warum so kompliziert", konterte ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz mit seinem Vorschlag, wonach Bund- und Länder-Gebührenanteil ebenso wie Geld von internationalen Online-Giganten in einen "nationalen Medienfonds" kommen. Wrabetz sieht sehr wohl private Begehrlichkeiten, am ORF-Gebührenkuchen mitzunaschen. Er ortet derzeit indes einen Konsens für Eingriffe in den Markt, um Europa zu bewahren. Das bedeute eben auch "eine besondere Form von Finanzierung" des Contents. Public Value steht für ihn für einen "umfassenden gesellschaftlichen Auftrag", den nur Öffentlich-rechtliche wahrnehmen könnten. "Wir brauchen mehr Medienförderung, wir sollten sie separat vom Gebührensystem organisieren", so Wrabetz.

Thurnher für mehr Förderung und wissenschaftlichen Beirat

Journalismus definierte "Presse"-Chefredakteur Rainer Nowak als zentral für "Public Value". Den würden aber auch andere Medien leisten, etwa Printmedien. Den Privatsendern wiederum nimmt er ihr oft demonstratives Bemühen, auf eigenen Public Value hinzuweisen, nicht ganz ab. Die Wahlberichterstattung Puls 4 etwa finde nicht primär zum Heil der Demokratie statt, es gehe vielmehr um "Geld und Quote".

"Falter"-Herausgeber Armin Thurnher findet, die Medienpolitik sollte "mehr Geld in die Hand nehmen zur Förderung von Qualität in anderen Medien". Darüber, was genau "Qualität" ist, sollte ein dreiköpfiger wissenschaftlicher Beirat für die RTR befinden. In mehr Qualität investieren möchte auch ORF-Chef Wrabetz, indem etwa das Programmschema von ORF 1 umgebaut werde. Der hohe Anteil an US-Serien solle reduziert werden – etwa mit einer werktäglichen Newsschiene im Hauptabend von ORF 1. Dass Public Value primär im Programm von ORF 3 zu finden sei, lässt Wrabetz nicht gelten. ORF 3 sei ein Zusatzkanal: "Wir haben keine einzige Public-Value-Sendung von ORF 1 oder ORF 2 in ORF 3 abgeschoben."

Zu viel um Märkte und ein wenig über Menschen und Werte wird nach Ansicht von Ladina Heimgartner (SRG) diskutiert. Die Anti-Gebühren-Abstimmung habe der Schweiz gut getan, weil eine monatelange fundierte Debatte geführt wurde, berichtete sie. "Das Learning für uns war: Es ist so wichtig, dass die Menschen wissen, was überhaupt geleistet wird. Da haben wir die Aufgaben nicht gut gemacht. Es darf nie wieder passieren, dass wir einem ganzen Land erklären müssen, was wir eigentlich machen." (APA, omark, 8.6.2018)