Hundert Millionen Zika-Viren können sich im Sperma eines infizierten Mannes tummeln, und doch ist die Zahl der sexuell Infizierten bei dieser Viruserkrankung vergleichsweise gering. Ein internationales Forscherteam um den Ulmer Virologen Jan Münch hat nun herausgefunden, dass Sperma die Zika-Viren hemmt. Verantwortlich dafür sind bestimmte Vesikel im Samenplasma, die es den Viren erschweren, an Zielzellen im Körper anzudocken. In den allermeisten Fällen werden Zika-Infektionen durch Stechmücken verbreitet.

"Die Samenflüssigkeit ist reich an bioaktiven Substanzen. Dazu gehören anorganische Stoffe genauso wie organische Substanzen. Darunter sind beispielsweise Proteine, Enzyme, Zytokine, Hormone und Ionen", erklärt Münch, der am Institut für Molekulare Virologie des Universitätsklinikums Ulm forscht. Diese Substanzen beeinflussen das vaginale Milieu und sind für die Infektiosität von sexuell übertragbaren Krankheiten entscheidend.

Sperma fördert HIV-Infektion

So haben Wissenschafter des Instituts in früheren Arbeiten aufgedeckt, dass Amyloid-Fibrillen im Sperma die Übertragbarkeit von Aids verursachenden HI-Viren massiv fördern. Bekannt ist andererseits, dass bestimmte Substanzen, die im Samenplasma gelöst sind, nicht nur einen zelltoxischen Effekt haben, sondern auch antimikrobiell wirken können. Die Ulmer Forscher waren nun neugierig, wie sich die Samenflüssigkeit auf die Infektiosität des Zika-Virus auswirkt und welche biochemischen Komponenten für diese Wirkungen verantwortlich sind.

"Wir waren sehr überrascht, als wir herausfanden, dass das Sperma die Infektion durch das Zika-Virus hemmt und nicht – wie bei HIV 1 – noch weiter verstärkt", sagt Erstautor Janis Müller, Postdoktorand am Institut für Molekulare Virologie. So konnten das internationale Forscherteam einerseits zeigen, dass sich die Zika-Viren sowohl in Zellen des Genital- und Analtrakts effektiv vervielfältigen als auch in Geweben aus der Gebärmutter und Vagina. Wurden die Zell- und Gewebeproben vor der Infektion mit dem Zika-Virus mit Samenflüssigkeit in unterschiedlichen Konzentrationen präpariert, zeigten sich jedoch deutlich niedrigere virale Befallsraten in den Körperzellen und Geweben.

Den Virenstopper finden

Mit diversen Methoden – von der Molekulargewicht-Filtration und Partikeltracking-Analyse über Durchflusszytometrie bis zu Fluoreszenz-, Konfokal- und Elektronenmikroskopie – kamen die Wissenschafter dem "Virenstopper" schließlich auf die Spur. "Extrazelluläre Vesikel, die im Sperma in großer Zahl vorhanden sind, vermindern die Anheftung der Viren an die Zellen und verhindern so die Infektion", sagt Münch. Bei diesen Vesikeln handelt es sich um bläschenförmige Partikel aus Membranen und Proteinen, die auf zellulärer Ebene für den Transport und die Lagerung von Stoffen verantwortlich sind.

Die Wissenschafter konnten zudem experimentell zeigen, dass Samenflüssigkeit auch die Infektion durch das Dengue- und das West-Nil-Virus hemmt, die ebenfalls von Stechmücken übertragen werden. "Mit den gewonnenen Erkenntnissen lässt sich erklären, warum es trotz der enorm hohen Mengen an Viruspartikeln im Sperma nur selten zur sexuellen Übertragung von Zika kommt", so die Forscher.

Trotzdem gilt: Wer in Zika-Gefahrengebiete reist, sollte sich gegen Moskitos schützen und beim Sex zum Kondom greifen. Denn auch HIV 1 und andere Krankheitserreger werden über ungeschützten Geschlechtsverkehr übertragen. (red, 11.6.2018)