In der Reihe "Limbus Preziosen" ist vor kurzem ein Versuch über die Hurerei erschienen, welcher in der Tat das Attribut einer kleinen literarischen Kostbarkeit verdient. Der für seine Bienenfabel berühmte niederländisch-englische Arzt Bernard Mandeville (1670-1733) – Karl Marx schätzte ihn, Friedrich Hayek schätzte ihn – legt sich in dieser 1724 anonym in London publizierten Streitschrift für staatliche Freudenhäuser ins Zeug. Diese seien nämlich der einzige Weg, wie "die großen Sturzbäche der Geilheit in den öffentlichen Kanal gelenkt" werden können. Die Onanie hingegen hält Mandeville für ein ungeeignetes Mittel, die gesamtgesellschaftlich anfallende Brünstigkeit zu managen, weil sie zu einer Art viriler Entsaftung und einem verminderten Bevölkerungswachstum führe.

Mandeville ist Menschenfreund und zugleich pfeffertrockener Realist, selbst wenn er sich über Feuchtgebiete auslässt. Immer wieder stößt man in diesem wertvollen Bändchen auf Sätze, die zum Nachdenken anregen: "Ein Geschäftsmann oder einer, der ein anständiges und tugendhaftes Leben führt, wird seltener von geilen Anfällen attackiert, aber wenn, dann kommen sie mit doppelter Gewalt."

Mandeville thematisiert hier die wichtige Einsicht, dass Menschen bei der Berufswahl bedenken sollten, wie sehr sie ihr Sexualleben in den Job einbringen können. Ein Geschäftsmann (oder eine Geschäftsfrau, Mandeville gendert noch nicht) hat meist mit wenig animierenden Tätigkeiten zu tun, welche allenfalls anale Charaktere sexuell erregen (Mahnschreiben ausschicken, Businessplan adaptieren, europäische Datenschutzverordnung implementieren). Das führt zu einem lustbefreiten Arbeitsalltag, aber auch zu einem Triebrückstau, der sich zur Unzeit entladen kann. Es macht keinen guten Eindruck, wenn Geschäftsleute, mit doppelter Gewalt von einem geilen Anfall attackiert, bei der Präsentation der Umsätze ihre Geschlechtsteile an der Flipchart frottieren.

Menschen, die sich sexuell ausleben wollen, sollten daher eher an Berufe wie Bordellwirtin, Zuhälter, Genitalmasseur, Stangentänzer oder gleich an Pornostar denken. Leider wird man in den Berufsberatungen auf diese Optionen kaum hingewiesen.

Lesen Sie Mandevilles Versuch über die Hurerei. Der beigefügte Essay der Zürcher Philosophin Ursula Pia Jauch ist ein Genuss für sich. (Christoph Winder, 9.6.2018)