Zeitlich viel weiter von uns entfernt als die Dino-Ära und doch auf den ersten Blick der Gegenwart ähnlicher: Der Räuber Gorynychus masyutinae macht Jagd auf den kleinen baumbewohnenden Pflanzenfresser Suminia getmanovi. Beide waren Therapsiden: Angehörige der Tiergruppe, von der die Säugetiere abstammen.
Illustration: Matt Celeskey

Kirow – Die Evolution wiederholt sich nie, aber sie bringt oft Variationen von Mustern hervor, die sich schon früher bewährt haben. Ein Beispiel dafür sind Säbelzähne, die vor dem eiszeitlichen "Säbelzahntiger" Smilodon schon diverse andere Spezies aus der Katzenverwandtschaft entwickelt hatten – ein Trend, der mehrere Millionen Jahre zurückreicht.

Schon lange vor ihnen, vor über 40 Millionen Jahren, entwickelten Raubtiere aus der Gruppe der Nimraviden ähnliche Zähne. Und gänzlich unabhängig von diesen Gruppen hatten auch die mit den Beuteltieren verwandten Sparassodonten Südamerikas Säbelzähne.

Die allererste Welle von Säbelzahnträgern liegt aber noch wesentlich weiter in der Zeit zurück, lange vor den Dinosauriern. Im Zeitalter des Perm, vor 299 bis 252 Millionen Jahren, prägte mit den Therapsiden eine Gruppe von Landwirbeltieren das Leben auf den Kontinenten, die zwar noch keine Säugetiere waren, aber deren Urahnen darstellen. Plumpe Pflanzenfresser mit Stoßzähnen gehörten ebenso zu ihnen wie säbelzahnbewehrte Fleischfresser.

Neuzugänge aus dem Erdaltertum

Zwei bislang unbekannte Vertreter von Letzteren haben Forscher des North Carolina Museum of Natural Sciences und des Paläontologischen Musems Wjatka im russischen Kirow nun im Fachjournal "PeerJ" vorgestellt. Die Fossilien beider Arten waren im europäischen Teil Russlands ausgegraben worden.

Gorynychus masyutinae war ein etwa wolfsgroßes Tier aus der Gruppe der Therocephalier und dürfte in seinem Lebensraum zu den Spitzenprädatoren gezählt haben. Nochnitsa geminidens, ein Vertreter der Gorgonopsier, war deutlich kleiner, hatte eine lange Schnauze und nadelspitze Zähne. Beide Spezies wurden nach Wesen aus der russischen Folklore benannt, einem Drachen und einem bösartigen Nachtgespenst. Nochnitsa hatte sehr große Augenhöhlen, was darauf hinweist, dass er nachts auf die Pirsch gegangen sein dürfte.

Fossil des kleinen Säbelzahnträgers Nochnitsa geminidens.
Foto: Christian Kammerer

Für Paläontologen sind die beiden Beinahe-Säugetiere von besonderem Interesse, weil sie das Wechselspiel der Evolution illustrieren. In der ersten Hälfte des Perm gaben nämlich noch Therocephalier wie Gorynychus den Ton an, während die Gorgonopsier noch vergleichsweise klein waren.

Vor etwa 260 Millionen Jahren wurden durch ein Massensterben – keines von den ganz großen, die die Erdgeschichte geprägt haben – die Karten aber neu gemischt. Danach wechselten die beiden Gruppen die Plätze und die Gorgonopsier wurden zu den Säbelzahntigern ihrer Zeit. Studienautor Christian Kammerer vergleicht den kuriosen Tausch damit, als würden heute Bären plötzlich auf Wieselgröße schrumpfen und Wiesel die Ausmaße von Bären annehmen.

Man kannte diesen Wechsel bereits von früheren Funden. Diese stammten aber alle aus dem Karoo-Becken im südlichen Afrika. Die aktuellen Funde aus Russland zeigen, dass es sich dabei um kein regionales Phänomen handelte, sondern dass der Wechsel – warum auch immer – weltweit eintrat.

Pendelschwünge

Ein anderer Wechsel fand in größerem Zeitrahmen statt: Von amphibischen Vorfahren abstammend, trennten sich schon vor über 300 Millionen Jahren die Ur-Landwirbeltiere in zwei Gruppen auf, die seitdem ständig um die "Vorherrschaft" konkurrieren – zumindest was großgewachsene Spezies betrifft.

Die eine, zu der auch unsere Urahnen zählen, hatte im Perm und bis ins darauffolgende Zeitalter der Trias lange Zeit Oberwasser. Im Lauf der Trias wurde die Konkurrenz aber stärker, bis diese durch ein weiteres Massenaussterben fast Monopolstatus erlangte. Zu dieser Gruppe zählen Dinosaurier, Vögel, Flugsaurier und alles, was unter der Bezeichnung Reptilien läuft.

Unsere Verwandtschaft blieb danach für einen langen Zeitraum an den Rand gedrängt. Erst der Einschlag des Dino-Killers vor 66 Millionen Jahren ließ das Pendel zurückschwingen und stellte die alten Verhältnisse wieder her. (jdo, 9. 6. 2018)