Die Gesichter hinter Gaze versteckt: Die Schauspieler von "La Plaza" sind gesichtslos. Sie sprechen kein Wort, der Text wird eingeblendet.

Foto: Els De Nil

Wien – Unbemerkt von der Welt ist im Theater Akzent ein Jahr lang ein Stück gelaufen, das nun in seinen letzten Zügen liegt. Wir kommen dank der Festwochen dieser Tage gerade noch rechtzeitig hin, um Zeuge seines Finales zu werden. So wie während der 365-tägigen Aufführung nie etwas auf der Bühne geschehen ist, passiert auch nun nichts. Das Stück sollte sein Publikum zur Ruhe bringen, nicht ablenken.

Bevor das den Festwochen-Zuschauern erklärt wird, sitzen diese eine gefühlte Viertelstunde lang vor einer fast leeren Szenerie. Nur ein bunter Haufen aus Blumen und Kerzen ("wie eine Gedenkstätte") hält der im Zuschauerraum hie und da aufkommenden Langeweile entgegen.

Dann legt die erklärende Textprojektion los. Sie schildert die Zukunft der Welt trist. Unternehmen, die sich uns heute noch mit Werbung andienen, werden uns im 22. Jahrhundert regieren. Es wird Klimakatastrophen geben, sprechende Tiere trüben unseren Fleischgenuss.

Die Intelligenz des Bösen

Dann wechselt die Bühne, graue Wände illustrieren eine Stadt. Wir gehen nun nach Hause. Beziehunsgweise werden wir – vom Text per "Du" angesprochen – heimgeleitet. Wir treten auf eine Straße, die bevölkert wird von muslimischen Männern. Sie seien derzeit ein Feindbild. "Der nächste Völkermord wird sich gegen sie richten, und wir werden auf Facebook dabei zuschauen", mahnt die Texteinblendung. Weiter geht’s in eine Bar, wo zwischen Drinks und Klo die Intelligenz des Bösen erörtert wird. Daheim legen wir uns nach Genuss eines Pornos hin.

La Plaza heißt die Produktion der spanisch-schweizerischen Gruppe El Conde de Torrefiel. Sie konfrontiert mit dem Bewusstseinsstrom einer als links, urban und jung entworfenen Bevölkerungsgruppe. Diese kriegt mit Kopfhörern im Ohr und dem Blick aufs Handy gerichtet von ihrer nächsten Umwelt nicht mehr viel mit. Wir sind international, unsere Lieblingsband sitzt in Montreal, dieses Lebensgefühl mache für die nahe Umgebung taub. Ob das als Porträt einer Generation taugt? Oder als Denkzettel?

Bewusst kunstloser Text

Die Szenen auf der Bühne illustrieren nicht die Story des Textes. Da gibt es Kopftuchtragende Frauen, eine Touristengruppe, Betrunkene oder eine Bettelnde. Einer am Boden liegenden Frau zieht ein Passant die Unterhose aus, statt ihr zu helfen. In Slow-Motion sind diese Bilder sehr schön anzusehen.

Nach einer Eingewöhnungsphase funktioniert der bewusst kunstlose Text überraschend gut und zieht in die Geschichte hinein. Was diese zur Einsicht bringen will, ist allerdings wenig feinsinnig. Etwa wenn darüber spekuliert wird, dass man gerade zum Video einer Pornodarstellerin masturbiert hat, die schon tot ist. Aus der Wohlstandstrance aufgerüttelt, macht sich hier jemand 90 Minuten lang moralische Gedanken. Immerhin. Gut gemeint ist aber noch lange nicht gut. (Michael Wurmitzer, 8.6.2018)