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Teamchef Tite tätschelt Superstar Neymar. Der 222-Millionen-Mann dürfte am Sonntag im Happel-Stadion in Brasiliens Startelf stehen. Noch am Abend fliegt der Rekordweltmeister nach Russland.

Foto: REUTERS/Andrew Yates

Wien – Teamchef Franco Foda weiß ganz genau, was ihn, eigentlich die österreichischen Fußballer, am Sonntagnachmittag im ausverkauften Happel-Stadion erwartet. "Ein absolutes Weltklasseteam mit großer individueller Klasse." Ein paar Tage nach Wladimir Putin stattet die brasilianische Fußballnationalmannschaft Wien einen Besuch ab, es gibt natürlich nicht einmal einen indirekten Zusammenhang. Russlands Präsident hat keine Gage kassiert, die Südamerikaner hingegen lassen sich den Auftritt fürstlich entlohnen.

Zwei Millionen Euro

Der ÖFB nannte zwar keine konkrete Summe, aber zwei Millionen Euro wurden nicht dementiert. Es wird einmal mehr ein Kräftemessen zwischen David und Goliath, am vergangenen Samstag hat sich in Klagenfurt David Österreich gegen Goliath Deutschland verdient mit 2:1 durchgesetzt. Die Goliaths stecken allerdings in der Vorbereitung auf die WM, diese Sorge hat der David nicht. Brasilien hatte das Trainingslager in London aufgeschlagen und Kroatien 2:0 geschlagen. Foda: "In welcher Verfassung sie sind, weiß ich nicht. Wichtig ist, in welcher Verfassung wir sind. Ich denke in einer sehr guten." Das gilt auch für Marko Arnautovic, der sich im Training eine kleine Absplitterung im Mittelhandknochen zugezogen hat. Sein Einsatz ist nicht gefährdet. "Nix verschoben, alles gut. Stört nicht. Ich spiele ja nicht mit meinen Händen, ich spiele mit meinen Füßen."

Foda ist erst kurz Teamchef, hat alle seine fünf Partien gewonnen, Tite übernahm die Seleção im Juni 2016. Seither ging es bergauf. Die Stimmung im Land des Rekordweltmeisters lag damals im Keller oder drunter. Vorgänger Dunga war bei der Copa América gescheitert, das 1:7 im Halbfinale gegen Deutschland bei der Heim-WM 2014 unter Luiz Felipe Scolari saß tief. Umfragen sahen die Unterstützung für die Seleção auf einem historischen Tiefstand. Tite, der Adenor Leonardo Bachi heißt, kam, sah und verlor nicht. Brasilien gewann neun Qualispiele in Folge, stand im März 2017 als erster WM-Teilnehmer fest, Veranstalter Russland ausgenommen.

Comeback des schnellen Kombinationsfußballs

Tite änderte die Identität, indem er das Zentrum stärkte und die Abhängigkeit von Superstar Neymar reduzierte. Es gab quasi ein Comeback des schnellen, trickreichen Kombinationsfußballs – ohne auf die Defensive zu vergessen. "Ich hätte nie gedacht, dass das so gut funktioniert", sagt der 57-jährige Tite, den 15 Prozent der Brasilianer zum Präsidenten wählen würden. Angesichts einiger seiner zentralen Eigenschaften wäre eine politische Karriere gar nicht so abwegig. Der grauhaarige Sir aus dem südlichsten Bundesstaat Rio Grande do Sul ist belesen, weltmännisch und glänzt mit seiner geschliffenen Rhetorik.

Als Dunga Geschichte war, ließ Tite das Personal im Wesentlichen unverändert, sorgte aber für ein neues Wir-Gefühl. Um die Harmonie zu fördern, verzichtete er auf einen fixen Kapitän und schickte in jedem Spiel einen anderen mit der Schleife aufs Feld.

Mittelfeld-Trio als Herzstück

In Sachen Taktik gelang ihm mit einem Wechsel zu einem flexiblen 4-3-3 der entscheidende Schachzug. Tite brach mit der langjährigen Seleção-Tradition der Doppel-Sechs und installierte im zentralen Mittelfeld ein Trio. Dabei schenkte er zwei alten Bekannten aus seiner Corinthians-Ära das Vertrauen: Renato Augusto, der zum zurückhängenden Spielmacher umgemodelt wurde, und Paulinho. Die beiden bilden mit Casemiro von Real Madrid das Herzstück der neuen Auswahl.

Die Umstellung nahm viel Druck von Neymar, der meistens über die linke Seite kommt. Die Abhängigkeit von ihrem Topstar, bekannt als "Neymardependencia", war lange das Hauptproblem. Allein Dunga verschliss fast ein Dutzend Neuner, um für Entlastung zu sorgen, doch erst Tite fand mit Gabriel Jesus einen passenden Kandidaten. Auch Willian und Philippe Coutinho, die sich als Rechtsaußen abwechselten, fügten sich bestens ein.

Österreich hat noch nie gegen Brasilien gesiegt (drei Remis, sechs Niederlagen). Sollte der Bann gebrochen werden, hätte es zumindest zwei Nebeneffekte: Foda wäre mit sechs Starterfolgen ÖFB-Rekordler, die Mannschaft hätte mit acht Siegen in Serie das Wunderteam überboten. Natürlich nicht wirklich. (hac, APA, 8.6.2018)

Technische Daten und mögliche Aufstellungen zum Fußball-Länderspiel zwischen Österreich und Brasilien am Sonntag in Wien:

Österreich – Brasilen (Ernst-Happel-Stadion, 16.00 Uhr/live ORF eins, SR Kassai/HUN)

Österreich: Lindner (Grasshopper Zürich/SUI, 18 Länderspiele) – Dragovic (Leicester City/ENG, 64/1 Tor), Prödl (Watford/ENG, 68/4), Hinteregger (FC Augsburg/GER, 30/3) – Lainer (Salzburg, 6/0), Baumgartlinger (Bayer Leverkusen/GER, 63/1), Grillitsch (1899 Hoffenheim/GER, 10/1), Alaba (Bayern München/GER, 62/12) – Schöpf (Schalke 04/GER, 17/3), P. Zulj (Sturm Graz, 3/0) – Arnautovic (West Ham/ENG, 71/19)

Ersatz: Siebenhandl (Sturm Graz, 2) , Stankovic (Salzburg, 0), Strebinger (Rapid Wien, 0) – Bauer (Stoke City/ENG, 6/0), Potzmann (Sturm Graz, 0), Danso (FC Augsburg/GER, 5/0), Wimmer (Stoke City/ENG, 8/0), Ilsanker (RB Leipzig/GER, 29/0), Hierländer (Sturm Graz, 1/0), X. Schlager (Salzburg, 3/0), Murg (Rapid Wien, 0), Schaub (Rapid Wien, 9/5), Kainz (Werder Bremen/GER, 10/0), Burgstaller (Schalke 04/GER,18/1), Alar (Sturm Graz, 2/0)

Es fehlen: Sabitzer (Schulterverletzung), Lazaro, Gregoritsch (beide Adduktorenprobleme), Ulmer (Muskelfaserriss), Wöber (Oberschenkelprobleme)

Brasilien: Alisson (AS Roma/ITA, 25 Länderspiele) – Danilo (Manchester City/ENG, 17/0), Thiago Silva (Paris Saint-Germain/FRA, 70/5), Miranda (Inter Mailand/ITA, 46/2), Marcelo (Real Madrid/ESP, 53/6) – Paulinho (FC Barcelona/ESP, 49/12), Casemiro (Real Madrid/ESP, 23/0), Philippe Coutinho (FC Barcelona/ESP, 36/0) – Willian (Chelsea/ENG, 56/8), Gabriel Jesus (Manchester City/ENG, 16/9), Neymar (Paris Saint-Germain/FRA, 84/54)

Ersatz: Cassio (Corinthians Sao Paulo, 1), Ederson (Manchester City/ENG, 1) – Geromel (Gremio Porto Alegre, 2/0), Filipe Luis (Atletico Madrid/ESP, 32/2), Marquinhos (Paris Saint-Germain/FRA, 25/0), Fagner (Corinthians Sao Paulo, 4/0), Fernandinho (Manchester City/ENG, 43/2), Douglas Costa (Juventus Turin/ITA, 24/3), Firmino (Liverpool/ENG, 20/6), Taison (Schachtar Donezk/UKR, 7/1)

Fraglich: Renato Augusto (Beijing Guoan/CHN, 28/5 – Knieprobleme), Fred (Schachtar Donezk/UKR, 8/0 – Knöchelverletzung)