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Solange Trump noch da war, war der G7-Gipfel nach seinen Worten "erfolgreich". Doch nach seiner Abreise änderte er seine Meinung schlagartig – via Twitter.

Foto: Adam Scotti/Prime Minister's Office/Handout via REUTERS

Es ist ein beispielloser Eklat: Mit einem nachträglichen Ausstieg aus der G7-Abschlusserklärung spaltet US-Präsident Donald Trump die Gruppe großer Wirtschaftsmächte. Er begründete diesen bisher einmaligen Schritt in der über 40-jährigen G7-Geschichte auf Twitter mit der "schwachen" Haltung des kanadischen Gastgebers des Gipfels in La Malbaie, Justin Trudeau, zu US-Strafzöllen auf Stahl und Aluminium.

Trump stürzt die Staatengruppe damit in eine ungewisse Zukunft. Die EU zeigte sich dennoch unbeirrt. "Wir halten an dem Kommuniqué fest, so wie es von allen Teilnehmern vereinbart wurde", sagte ein Sprecher von EU-Ratspräsident Donald Tusk in der Nacht auf Sonntag der Deutschen Presse-Agentur.

Nach dem Eklat beim G-7-Gipfel hat die US-Regierung dem kanadischen Premierminister und Gipfel-Gastgeber Justin Trudeau Verrat vorgeworfen. "Er hat uns das Messer in den Rücken gestoßen", sagte der Wirtschaftsberater von US-Präsident Donald Trump, Larry Kudlow, am Sonntag dem Fernsehsender CNN.

Noch heftigere Worte fand Trumps Handelsbreater Peter Navarro am Sonntag in einem Interview des Senders Fox News: "Es gibt in der Hölle einen besonderen Platz für jeden ausländischen Regierungschef, der in böser Absicht Diplomatie mit Präsident Donald J. Trump betreibt und dann versucht, ihm ein Messer in den Rücken zu rammen, wenn er zur Tür hinausgeht."

Tiefgreifende Differenzen

Die USA und die sechs anderen G7-Staaten – darunter die wichtigsten westlichen US-Verbündeten Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Kanada – hatten sich bei dem Gipfel trotz tiefgreifender Differenzen bei den Themen Handel und Klimaschutz in letzter Minute zu der achtseitigen Abschlusserklärung durchgerungen.

Trump hatte die Partner aber bereits vorher düpiert, indem er fünf Stunden vor dem Ende des Treffens zu seinem Treffen mit dem nordkoreanischen Präsidenten Kim Jong-un nach Singapur abreiste. Dieser mit Spannung erwartete Gipfel findet aber erst am Dienstag statt.

Vom Flugzeug aus startete Trump seine Attacke auf Trudeau. Der hatte am Samstag in seiner Abschluss-Pressekonferenz gesagt, die Strafzölle gegen die EU und Kanada, die Trump mit der Wahrung der amerikanischen Sicherheitsinteressen begründet, seien "etwas beleidigend". Kanada werde seinerseits die USA mit höheren Zöllen belegen. "Das machen wir nicht gerne, aber wir werden es absolut machen, denn wir Kanadier sind freundlich und vernünftig, aber wir lassen uns nicht herumkommandieren."

Trump: Trudeau "sehr unehrenhafter und schwacher" Gastgeber

Trump antwortete darauf auf Twitter und bezeichnete Trudeau als "sehr unehrenhaften und schwachen" Gastgeber: "Basierend auf den falschen Aussagen von Justin (Trudeau) bei seiner Pressekonferenz und dem Fakt, dass Kanada den amerikanischen Bauern, Arbeitern und Firmen massive Zölle berechnet, habe ich unsere US-Unterhändler angewiesen, die Abschlusserklärung nicht zu unterstützen, und wir werden uns Zölle auf Autos anschauen, die den US-Markt fluten." Die Drohung zu den Autos dürfte Deutschland als großer Exporteur besonders umtreiben.

Die Gipfelerklärung war erst nach einer Nachtsitzung und weiteren Verhandlungen bis kurz vor Ende des Gipfels zustande gekommen. Die Strafzölle kommen darin gar nicht vor. Aber es gibt eine Passage zum Handel, in der es heißt: "Wir unterstreichen die zentrale Bedeutung eines regelbasierten internationalen Handelssystems und kämpfen weiter gegen Protektionismus." Der Kompromiss geht aber nicht wesentlich über Gipfelformulierungen aus dem vergangenen Jahr hinaus.

Widersprüchlicher US-Präsident

Vor seinem Abflug hatte sich Trump trotz der tiefen Gräben im transatlantischen Verhältnis noch zufrieden gezeigt. Der Gipfel sei "ausgesprochen erfolgreich" verlaufen. Das Verhältnis zu den anderen sechs inklusive Trudeau bewertete er mit der Bestnote 10 auf einer Skala von 1 bis 10. "Das heißt aber nicht, dass ich mit allem einverstanden bin, was sie tun", fügte er vor allem mit Blick auf den Handelsstreit hinzu. Die Europäische Union sei "brutal" zu den USA. "Wir sind das Sparschwein, das jeder plündert, und das hört jetzt auf."

Dennoch breiter Katalog an Übereinstimmungen

In einer ganzen Reihe von Einzelfragen waren sich die großen Wirtschaftsmächte einig: Gemeinsames Abwehrsystem gegen Destabilisierungsversuche aus Ländern wie Russland oder China; Förderung von Frauen und Mädchen in Entwicklungsländern und Krisenregionen mit 4,7 Milliarden Euro; Unterstützung für Trumps Bemühungen für eine unumkehrbare atomare Abrüstung der koreanischen Halbinsel.

Andererseits verlängerte sich die Liste der Streitfragen aber sogar noch. Trump erweiterte sie mit dem Vorstoß, Russlands Präsident Wladimir Putin wieder in die Gruppe der großen Wirtschaftsmächte aufzunehmen. Chancen auf Erfolg hat der Vorschlag nicht, weil ein solcher Beschluss nur einstimmig fallen kann. Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Kanada sprachen sich offen dagegen aus, sollte es in der Ukraine keine Fortschritte geben. Der neue italienische Premierminister Giuseppe Conte ist allerdings dafür. Damit geht an dieser Stelle der Graben auch durch die Europäische Union.

Dissens wieder einmal beim Klima

Beim Klimaschutz stellte die G7 wie beim letzten Gipfel den Dissens zwischen den USA und den anderen Mitgliedern fest – 6 plus 1 also. Trump war aus dem Pariser UN-Klimaschutzabkommen ausgestiegen und hatte sich damit weltweit isoliert.

Auch bei einem anderen Umweltthema klinkte Trump sich aus – zusammen mit Japan. Die anderen fünf verpflichteten sich darauf, bis 2030 die vollständige Verwertung von Plastikmüll zu erreichen – vor allem, um ihn aus den Ozeanen zu verbannen. In Europa fallen nach Angaben der EU-Kommission jährlich rund 26 Millionen Tonnen Plastikmüll an. Nur knapp 30 Prozent davon werden zur Wiederverwertung gesammelt, die übrigen 70 Prozent landen auf Müllkippen, in Verbrennungsanlagen oder eben in der Umwelt.

Streitthema Iran

Beim Streitthema Iran war das gemeinsame Ziel der Verhinderung einer iranischen Atombombe in der Abschlusserklärung festgeschrieben worden. Der Streit über den Weg dorthin findet aber dort keine Erwähnung. Die USA sind aus dem Atomabkommen mit dem Iran ausgestiegen und wollen Teheran wieder mit Sanktionen unter Druck setzen. Dagegen wollen die europäischen Vertragsparteien Deutschland, Frankreich und Großbritannien die Vereinbarung zusammen mit Russland und China unbedingt retten.

Andere Staaten demonstrierten Zusammenhalt

Die anderen G-7-Länder reagierten ratlos. Die deutsche Bundesregierung ließ über einen Sprecher nur einen einzigen Satz ausrichten: "Deutschland steht zu dem gemeinsam vereinbarten Kommuniqué."

Frankreich wurde deutlicher: "Internationale Zusammenarbeit sollte nicht von Wutausbrüchen oder abfälligen Bemerkungen abhängen", erklärte der Elysee-Palast. Wer auch immer den Absprachen von Kanada den Rücken zukehre, zeige "Zusammenhanglosigkeit und Unhaltbarkeit".

In der von Trump verworfenen Erklärung hatten sich die sieben Industrienationen zu einem "freien", "fairen" und "regelbasierten" Handelssystem bekannt und dem Protektionismus den Kampf angesagt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) räumte vor ihrer Abreise ein, dass damit der Dissens mit den USA in Handelsfragen "nicht aus der Welt" geschaffen sei.

Oettinger warnt vor Überreaktion

EU-Kommissar Günther Oettinger hat nach dem von Trump verursachten Eklat vor einer Überreaktion gewarnt. "Wir brauchen unverändert jeden Gesprächsfaden mit den USA auf politischer und wirtschaftlicher Ebene", sagte Oettinger dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND, Montag).

Deshalb sollten es nicht die Europäer sein, welche die Zukunft der G-7-Treffen infrage stellten. "Jetzt ist Gelassenheit gefragt", sagte er. Nichtsdestotrotz bezeichnete Oettinger den Gipfel und seinen Ausgang als einen weiteren Schritt in die falsche Richtung. "Die Weltpolitik und die Weltwirtschaft sind jetzt in der schwierigste Lage seit Ende des Kalten Kriegs", kommentierte er.

Der nächste G7-Gipfel soll im Sommer 2019 in Biarritz in Frankreich stattfinden. Das ist jedenfalls die bisherige Planung. Welche Folgen der Eklat hat, ist aber noch nicht absehbar. (APA, red, 10.6.2018)