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In Singapur wartet man angespannt auf das, was Donald Trump sagen und tun wird.

Foto: Reuters / KIM KYUNG-HOON

US-Präsident Donald Trump hat seit seinem Amtsantritt schon zahlreiche internationale Abkommen zerrissen – das transpazifische Handelsabkommen TPP, das Pariser Klimaabkommen, den Atomdeal mit dem Iran. So schnell wie das Schlusskommunique des G-7-Gipfels in Kanada ist allerdings noch nie ein Papier bei ihm in Ungnade gefallen.

Kurz nachdem die US-Delegation in seinem Auftrag der Erklärung zugestimmt hatte, verkündete der Terminator via Tweet von Bord der "Air Force One" den Ausstieg. Der Grund: Gastgeber Justin Trudeau hatte es in der Abschlusskonferenz gewagt, ein wenig Kritik an der US-Politik zu äußern: Kanada werde sich von niemandem herumschubsen lassen. Das brachte Trump in Rage – und führte dazu, dass das größte Mitglied der G7 sich von dieser mehr als 40 Jahre alten Institution de facto verabschiedete.

Typisch Trump, kann man sagen. Ob die USA nun dem ohnehin verwaschenen Kommuniqué, in dem die US-Strafzollpolitik erst gar nicht angesprochen wurde, zustimmen oder nicht, ändern wenig an den massiven Spannungen im westlichen Bündnis. Aber aus dem Verhalten des US-Präsidenten in den letzten 48 Stunden lassen sich Schlüsse ziehen, die für den Rest der Trump-Präsidentschaft viel Grund zur Sorge geben.

Trump mag Putin mehr als Trudeau

  • Trump hasst jede Form des Multilateralismus, der Grundlage der Weltordnung seit 1945. Instinktiv lehnt er die Uno, die Nato, die G7, die WTO und alle anderen Verbände ab, in dem mehrere Staaten zusammensitzen und Kompromisse aushandeln müssen. Er will nur Staat zu Staat – oder noch besser Mann zu Mann – verhandeln, so wie bei Immobiliendeals. Dieser Instinkt ringt auch das westliche Verteidigungsbündnis, die Nato, in Gefahr.

  • Trump schätzt autoritäre Führer und mag keine demokratischen Politiker. Er wäre lieber mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am Tisch gesessen als mit dem kanadischen Premier Trudeau, den er im Tweet als "unehrlich und schwach" beschimpfte. Und jetzt freut er sich auf das Treffen mit dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un in Singapur. Der junge Tyrann ist ein Mann ganz nach seinem Geschmack. Dafür ist Trump auch vom Gipfel früher abgereist.

  • Wenn sich bei Trump einmal eine Idee im Kopf festgesetzt hat, geht sie nicht mehr weg. Er ist instinktiv ein Protektionist, der überzeugt ist, die USA werden im Welthandel schlecht behandelt – aber die Obsession mit europäischen und kanadischen Zöllen ist neu. Dass die Märkte der westlichen Handelspartner für ausländische Produkte grundsätzlich offen sind – und in manchen Bereichen offener als die der der USA – ignoriert er einfach. Die 270 Prozent kanadischen Zölle auf Milchprodukte gehen ihm nicht mehr aus dem Sinn.

  • Trump entscheidet allein und lässt sich von Beratern kaum beeinflussen. Den einzigen, denen er zuhört, sind jene, die ihm ohnehin zustimmen. Die anderen sind marginalisiert oder sind bereits gegangen. Die USA sind ein Rechtsstaat, in dem der Kongress, die Gerichte und die Bundesstaaten die Macht des Präsidenten beschränken. Aber innerhalb der Exekutive zählt nur das Wort eines Einzelnen.

  • Trump ist launisch und impulsiv und deshalb auch nicht paktfähig. Das Wort von gestern zählt heute nicht mehr. Er hält keine Kritik aus, reagiert emotional und schlägt dann wild um sich – zu Hause genauso wie in der Weltpolitik. Das macht ihn und seine Politik völlig unberechenbar.

Gute Chancen für Kim Jong-un

Für den kommenden Gipfel mit Kim ist das ein böses Omen. Trump hat bereits erklärt, dass er sich für das Treffen nicht vorbereitet, sondern sich von seinem Instinkt leiten lassen wird. Das gibt dem schlauen Diktator aus Pjöngjang viele Möglichkeiten, das meiste für sich aus dem Treffen herauszuholen. Er muss Trump nur schmeicheln, auf böse Worte verzichten, und steht selbst nicht unter Druck, irgendwelche konkreten Zugeständnisse zu machen. Trumps außenpolitische Berater würden ein solches Spiel zwar rasch durchschauen, aber der Präsident ist sich sicher, dass er es besser weiß.

In achtzehn Monaten hat Trump alle Verbündeten vergrault und sein Land in die internationale Isolation geführt. Nun steht er vor seinem größten Härtetest. Die Supermacht USA hätte zwar alle Mittel, um aus dem Treffen mit Kim einen diplomatischen Erfolg zu machen. Doch dass Trump diese Instrumente auch nur annähernd beherrscht, glaubt inzwischen niemand mehr. (Eric Frey, 10.6.2018)