Zahlen, Zahlen, Zahlen: Die Finalisten im Vergleich.

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Rechts- und Linkshänder: Dominic Thiem und Rafael Nadal.

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Paris – Thomas Muster war ein Teufelskerl, eine Urgewalt, ein Viech. Der Steirer war der unumstrittene Sandplatzkönig seiner Generation. Er lebte seinen sadistischen Trieb auf der roten Asche ohne Scham aus. Wenn er zum Racket griff, ahnte der Gegner Schmerzen. Thomas Muster gewann das Turnier von Roland Garros 1995. Zum ersten und einzigen Mal. Rafael Nadal könnte dieser Coup am Sonntag (15 Uhr, live in ORF 2, Eurosport) zum elften Mal gelingen. Nur um die Dimensionen zu begreifen. Nur um zu erahnen, vor welcher Aufgabe Dominic Thiem im Endspiel der French Open steht.

Die Niederlage als Ausnahme

Man kann es mit einem Videospiel vergleichen. Nadal ist der Endboss. Hat man alle Gegner auf einem Level besiegt, taucht ein großes, dem Spieler weit überlegenes Ungeheuer auf, das nur mit einer speziellen Technik zu bezwingen ist. Seit 2005 ist dieses Kunststück nur zwei Männern gelungen. Der Schwede Robin Söderling war am 31. Mai 2009 der Erste. Novak Djokovic am 3. Juni 2015, also ausgerechnet an Nadals Geburtstag, der Zweite. Und ansonsten? 85 Siege. Im Vorjahr gewann der Spanier das Turnier ohne Satzverlust.

Roland Garros

Wie oft wurde Rafael Nadal ein baldiges Karriereende vorhergesagt? Sein Spiel sei zu kräftezehrend, kein Körper könne diesen Aufwand auf Dauer bewältigen. Er besäße nicht die Leichtigkeit und Eleganz eines Roger Federers. Irgendwann müsse der Mallorquiner Tribut zollen. Ein Irrtum. Vergangenen Sonntag wurde Nadal 32 Jahre alt und die Maschine läuft wie geschmiert. Der Linkshänder gräbt die Bälle weit hinter der Grundlinie aus, um kurz darauf in die Offensive zu gehen. Er schickt den Gegner quer über den Court, um die Rally irgendwann mit einem Geschoss entlang der Linie zu beenden. Ob es nun die beidhändige Rückhand oder die wie ein Lasso geschleuderte Vorhand ist, scheint dabei nebensächlich. Die Gegner? Machtlos.

Der Gegner als Ausnahmekönner

Aber Dominic Thiem hat einen Plan. Er will der Aggressor sein. Und er weiß, wie es gehen könnte. Nicht nur in der Theorie. Der Österreicher ist mit seinen 24 Jahren und neun Monaten der jüngste Paris-Finalist seit Nadal 2005. Trotzdem ist er reich an Erfahrung. Drei Mal hat er den Spanier in neun Begegnungen bezwungen, das jüngste Duell in Madrid vor wenigen Wochen konnte er in zwei Sätzen für sich entscheiden. Dort herrschen aber andere Bedingungen, 600 Meter über dem Meeresspiegel fliegt die Kugel anders. Für den Laien sind diese Unterschiede kaum zu sehen, für die Profis ist es ein anderes Spiel. In Paris sind sich die beiden Herrschaften zwei Mal begegnet, noch wartet Thiem auf einen Satzgewinn.

"Ich muss mein bestes Tennis zeigen", sagt Nadal vor dem Finale. Die Fähigkeiten seines Gegners lassen ihn die Augenbraue leicht nach oben ziehen. Thiem sei "ein komplizierter Gegner". Aber gerade über drei gewonnene Sätze hat die Nummer 1 der Weltrangliste Lösungen anzubieten. "Das Faszinierende an Nadal ist ja nicht nur, auf welch hohem Niveau er spielen kann, sondern vor allem, wie lange er das ohne gröbere Einbrüche durchhält", sagte Thiem-Trainer Günter Bresnik vor dem Turnier zum STANDARD. Konstanz ist Trumpf.

Ein Traumtag von Nöten

Will Thiem die Coupe des Mousquetaires stemmen und eine Nachbildung als Handgepäck einchecken, muss er loslegen wie die Feuerwehr. Da sind sich die Experten einig. Ein Nadal auf Betriebstemperatur wird am Court Philippe Chatrier kaum zu stoppen sein. Dann könnte alles sehr flott gehen, dann könnte das Pendel schnell auf eine Seite kippen. Zumal das Publikum in Paris seine Helden mehr liebt als die Außenseiter.

"Man muss nicht nachdenken, wer Favorit ist", sagt Thiem, "sobald er dich hat, lässt er dich nicht mehr los. Es wird ein Traumtag nötig sein, damit ich eine Chance habe." (Philip Bauer aus Paris, 10.6.2018)

Der Weg ins Finale:

Thiem:
1. R.: Ilja Iwaschka (BLR) 6:2,6:4,6:1
2. R.: Stefanos Tsitsipas (GRE) 6:2,2:6,6:4,6:4
3. R.: Matteo Berrettini (ITA) 6:3,6:7(5),6:3,6:2
Achtelfinale: Kei Nishikori (JPN-19) 6:2,6:0,5:7,6:4
Viertelfinale: Alexander Zverev (GER-2) 6:4,6:2,6:1
Semifinale: Marco Cecchinato (ITA) 7:5,7:6(10),6:1

Nadal:
1. R.: Simone Bolelli (ITA) 6:4,6:3,7:6(9)
2. R.: Guido Pella (ARG) 6:2,6:1,6:1
3. R.: Richard Gasquet (FRA-27) 6:3,6:2,6:2
Achtelfinale: Maximilian Marterer (GER) 6:3,6:2,7:6(4)
Viertelfinale: Diego Schwartzman (ARG-11) 4:6,6:3,6:2,6:2
Semifinale: Juan Martin Del Potro (ARG-5) 6:4,6:1,6:2