Die Schweizer haben sich am Sonntag deutlich gegen das Vollgeld entschieden.

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Die Schweizer wagen die Revolution ihres Finanzsystems nicht. Die Abstimmung über die "Vollgeldinitiative" ging deutlich aus: Nur 24 Prozent stimmten dem Begehren zu, welches forderte, dass allein die Nationalbank Geld schöpfen darf.

Die Geschäftsbanken hätten laut der Vollgeldinitiative nicht mehr Geld "aus dem Nichts" erzeugen dürfen, indem sie Kredite vergeben, die nicht mit Eigenkapital oder mit Kundeneinlagen unterlegt sind. Die Banken hätten die Spareinlagen ihrer Kunden aus den Bilanzen nehmen und für den Konkursfall schützen müssen. Einzig die Nationalbank hätte neues Geld ausgeben dürfen, entweder durch Darlehen an die Geschäftsbanken oder durch schuldenfreie Geldausgabe. Damit wäre laut den Initianten das Finanzsystem sicherer und stabiler geworden. Die Nationalbank hätte die Geldmenge direkt steuern und Spekulationsblasen wie auch Kreditknappheit verhindern können, so die Hoffnung.

Keine politische Unterstützung

Doch politische Unterstützung fanden die Initianten des Volksbegehrens nicht: Von links bis rechts lehnten es alle Parteien ab, Regierung und Parlament ebenso wie die Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften. Und auch der Nationalbank-Präsident Thomas Jordan engagierte sich gegen das "unnötige und riskante" Vollgeldexperiment, das weltweit noch nie ausprobiert worden ist.

Umso mehr hatten ausländische Leitartikler gewünscht, die Schweiz möge den Versuch wagen. "May the Swiss dare", sagte Martin Wolf, Chefökonom der Londoner "Financial Times" und einer der einflussreichsten Wirtschaftspublizisten weltweit. Seit der globalen Finanzkrise von 2008 sei klar geworden, dass das herkömmliche Finanzsystem zu wenig stabil und zu anfällig für spekulative Blasen sei. Neue Wege müssten beschritten werden, meint Wolf. "Die Vollgeldidee ist der falsche Lösungsansatz für ein großes Problem", sagte die sozialdemokratische Abgeordnete Susanne Leutenegger-Oberholzer im Schweizer Rundfunk SRF. Es brauche schärfere Eigenkapitalvorschriften für Banken und verbesserten Einlegerschutz.

Generationenprojekt Vollgeld

Die Initianten ihrerseits wollen nicht aufgeben. "Vollgeld ist ein Generationenprojekt", twitterten sie nach verlorener Abstimmung. "Man muss sich bewusst sein, dass noch Jahre der Aufklärung notwendig sind, bis die ganze Bevölkerung die Funktionsweise des Geldsystems kennt."

Das deutliche Nein muss also nicht das Ende der Vollgeldidee bedeuten. So konnten die Schweizer vor zwei Jahren über ein ähnlich utopisches Thema, das bedingungslose Grundeinkommen für alle, abstimmen. Dieses wurde zwar abgelehnt, doch die Debatte führte dazu, dass bald eine Zürcher Gemeinde ein Grundeinkommenexperiment starten wird.

Mit großer Mehrheit haben die Schweizer hingegen für ein neues Glücksspielgesetz gestimmt. Künftig dürfen nur Casinos und Firmen mit Sitz in der Schweiz Glücksspiele anbieten, sowohl in der Realität als auch im Internet.

Franken schwächt ab

Der Franken schwächte sich am Montag etwas ab. In den Morgenstunden kostete ein Euro 1,1621 Franken nach 1,1590 am Sonntagabend. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hatte am Sonntag erklärt, sie könne ihre Geldpolitik nun unter den gleichen Rahmenbedingungen fortführen. Sie setzt zur Schwächung des Franken auf Negativzinsen und Interventionen am Devisenmarkt. (Klaus Bonanomi aus Bern, APA, 10.6.2018)