Georg Strasser: Die EU-Agrarpolitik ist ein Erfolgsprojekt – im Interesse der Öffentlichkeit.

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Der Gastkommentar von Stefan Brocza (STANDARD, 5. Juni) zeigt: Die Expertise des Autors liegt sichtlich nicht in der Agrarpolitik. Die Meinung des Experten für Europarecht und internationale Beziehungen zur aktuellen Diskussion über das künftige EU-Agrarbudget verdient daher eine Erwiderung. Denn die vielfältigen Leistungen der bäuerlichen Familienbetriebe in Österreich sind offensichtlich bewusst übersehen worden.

Die EU-Agrarpolitik wird sehr genau in den EU-Verträgen definiert. Es geht um die Steigerung der Produktivität der Landwirtschaft, den effizienten Einsatz der Produktionsfaktoren, um ein angemessenes Pro-Kopf-Einkommen für die landwirtschaftliche Bevölkerung, die Stabilisierung der Märkte, die Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung usw. Diese Politik war den sechs Gründungsstaaten der damaligen Europäischen Gemeinschaft von so großer Bedeutung, dass sie die Agrarpolitik zu einem gemeinsamen europäischen und zentral finanzierten Politikfeld gemacht haben.

Es ist wichtig, zu wissen, dass die Agrarpolitik – neben der Regionalpolitik – der einzige vergemeinschaftete Bereich der EU ist. Wären alle anderen Bereiche ebenso vergemeinschaftet, würde der Agraranteil an den Gesamtausgaben bei nur 0,3 Prozent liegen. Wir haben es mit einem Public-private-Partnership-Modell zu tun. Der Landwirt erbringt im Auftrag der Öffentlichkeit auch viele Leistungen, die dem Gemeinwohl dienen. In Summe erwirtschaftet er daher ein Markteinkommen, das um ein "Gemeinwohleinkommen" erweitert wird. Diese Partnerschaft kann nur funktionieren, wenn die für die Gesellschaft erbrachten Leistungen finanziert werden.

Innovativ und ökologisch

Die gemeinsame EU-Agrarpolitik ist ein Erfolgsprojekt. Sie hat die Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion in Europa wettbewerbsfähiger, ökologischer und gleichzeitig innovativer gemacht. Das ging auch zulasten der Beschäftigung und der Anzahl der Betriebe in Europa. In Österreich versorgte ein Landwirt im Jahr 2000 64 Menschen, 2017 waren es bereits 117. Der durchschnittliche Anteil für Lebensmittelausgaben eines Haushalts in Österreich ist von 37 Prozent im Jahr 1954 auf knapp elf Prozent im Jahr 2017 gefallen. Leistbare Lebensmittel für alle sind heute in Österreich und in Europa eine Selbstverständlichkeit. Wir stehen vor der Aufgabe, die Qualitätsstandards in Europa anzugleichen und Landwirtschaften, die in hoher Qualität produzieren, gegenüber Agrarfabriken zu stärken. Qualität hat ihren Preis – die größte Herausforderung der Gemeinsamen Agrarpolitik der kommenden Jahre!

Österreichs Agrarpolitik hat sich innerhalb der EU einen besonderen Stellenwert erarbeitet. Die Kundenzufriedenheit mit der Qualität regionaler Lebensmittel ist sehr hoch, davon profitiert übrigens auch der Lebensmitteleinzelhandel. Seit dem EU-Beitritt wird in Österreich das umfangreichste Agrarumweltprogramm (ÖPUL) innerhalb der EU angewendet. Mehr als 80 Prozent aller bäuerlichen Familienbetriebe nehmen freiwillig daran teil.

Der Preis für hohe Standards

Die hohen Standards führen zu höheren Kosten, die genau berechnet werden, um dann entsprechend mit öffentlichen Mittel abgegolten zu werden. Einen besonderen Stellenwert in Österreich hat die biologische Landwirtschaft mit einem Produktionsanteil von mehr als 20 Prozent. Damit sind wir Spitzenreiter in Europa! Durch unser spezielles Bergbauernprogramm halten wir Besiedelung und Bewirtschaftung in Gebieten aufrecht, die nur mit dem Verkauf von Produkten auf dem freien Markt nicht existieren könnten. Wir halten die Kulturlandschaft auch zum Vorteil Österreichs und als Grundlage für den Tourismus intakt! Betriebe mit diesen Erschwernissen mit dem Vorwurf der "Hängematte" und des "geschenkten Geldes" zu beleidigen zeugt von Unkenntnis der Realität in bäuerlichen Betrieben und benachteiligten Regionen!

Nach Jahren teils starker Einkommensrückgänge erzielte die Landwirtschaft 2017 in Österreich erstmals wieder das Niveau von 2008. Der Anteil der öffentlichen Mittel am Ertrag eines durchschnittlichen landwirtschaftlichen Betriebs liegt bei circa 20 Prozent. Jede Kürzung führt damit unmittelbar zu Einkommensverlusten auf den Bauernhöfen.

Welche Berufsgruppe würde das schweigend zur Kenntnis nehmen? Unser Protest soll eines bewirken: die hochwertige Qualität der Lebensmittelproduktion, die schönen Kulturlandschaften und die Partnerschaft mit den Konsumenten auch in Zukunft erfolgreich fortsetzen zu können. (Georg Strasser, 10.6.2018)