Die Angabe zur Frage der Überschuldung: ein Beispiel für Gold-Plating in Österreich.

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Wien – Die Bundesregierung hat dem Gold-Plating, also der Übererfüllung von EU-Mindeststandards, den Kampf angesagt, und das mit gutem Grund. Österreich ist in vielen Bereichen EU-Musterschüler, was zu einer echten Bürde für die Wirtschaft geworden ist.

Ein Beispiel für eine solche Übererfüllung findet sich im österreichischen Unternehmensgesetzbuch (UGB), in dessen § 225 Abs. 1 folgende Vorschrift normiert wird: "Ist das Eigenkapital durch Verluste aufgebraucht, so lautet dieser Posten 'negatives Eigenkapital'. Im Anhang ist zu erläutern, ob eine Überschuldung im Sinne des Insolvenzrechts vorliegt."

Einzigartig in Österreich

Diese in Österreich geltende Angabepflicht zu einer eventuellen Überschuldung im Sinne des Insolvenzrechts bei negativem Eigenkapital ist innerhalb der EU einzigartig – in der Bilanzrichtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates von Juni 2013 ist keine solche Angabeverpflichtung vorgesehen.

Die Regelungen des Unternehmensgesetzbuches und der Rechnungslegung erfordern ohnehin jedenfalls die Beurteilung des Abschlussaufstellers, ob von der Unternehmensfortführung ausgegangen werden kann.

Da im Zusammenhang mit der Fortführungsannahme umfangreiche Bewertungen in der Bilanz verbunden sind, ist die Absicht der Rechnungslegung, erst zu einem sehr späten Zeitpunkt von der Unternehmensfortführung und damit von den Buchwerten abzugehen. Ein Abgehen von der Unternehmensfortführung ist erst dann erforderlich, wenn diese in hohem Maße unwahrscheinlich ist.

Verwirrung

Ganz anders im Insolvenzrecht: Statt in "hohem Maße unwahrscheinlich" ist hier für das Nichtvorliegen einer Überschuldung eine "überwiegende Wahrscheinlichkeit" des Unternehmensfortbestandes erforderlich. Daher liegt eine Überschuldung schon prinzipiell früher vor, als das Abgehen von der Fortführungsannahme erforderlich wäre.

Besonders deutlich wird dies, wenn ein Unternehmen in der Insolvenz oder aus der Insolvenz heraus fortgeführt wird, was dezidiert dem Willen des Gesetzgebers des aktuellen Insolvenzrechtes entspricht.

Die europarechtlich nicht vorgeschriebene Angabe zur Frage der Überschuldung verwirrt den Bilanzleser also mehr, als es ihm hilft. Denn die Annahme, dass im Falle einer Überschuldung der Jahresabschluss, der zu Fortführungswerten aufgestellt ist, falsch sei, ist schlicht nicht korrekt. In diesem Fall führt das Gold-Plating offensichtlich nicht zu einem "Mehr" an Informationen, sondern zu einer Informationsverwirrung.

Hier gibt es also Handlungsbedarf für die Regierung, die sich zur Aufgabe gemacht hat, Rechtsnormen zu optimieren und Übererfüllungen rigoros streichen. Es wäre dringend zu empfehlen, die Rechnungslegung und die Jahresabschlusserstellung auf die sachgerechten Informationsregelungen und Notwendigkeiten zurückzuführen und die Regelung zur Angabepflicht der insolvenzrechtlichen Überschuldung nach § 225 Abs. 1 zu entfernen. (Anton Schmidl, 13.6.2018)