Die gereckte Faust als Signal der Stärke – diese bewies Donald Trump Minuten nach dem Abflug aus Kanada Richtung Singapur mit seinem Tweet an seine G7-Kollegen.

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Die Wortwahl lässt an den Kunden eines Gebrauchtwagenhändlers denken, der eine Rostlaube erworben hat, sich getäuscht sieht und das Geschäft rückgängig macht. Nach Justin Trudeaus Falschaussagen, twitterte Donald Trump an Bord der Air Force One, und angesichts der Tatsache, dass Kanada die USA zur Kasse bitte, habe er seine Vertreter beim G7-Gipfel angewiesen, die gemeinsame Abschlusserklärung nicht zu billigen – "während wir Zölle für Autos prüfen, die den US-Markt überfluten", schob er drohend hinterher.

Damit war sie abgeblättert: die Farbe, mit der die stärksten westlichen Industrienationen und Japan versucht hatten, die Risse in der Fassade zu übertünchen. Klar war, dass der Versuch gescheitert war, dem Nationalisten im Oval Office zumindest Lippenbekenntnisse zur gefährdeten liberalen Weltordnung abzuringen.

Mit einiger Mühe war es gelungen, auch Trump zu einer Abschlusserklärung zu verpflichten, in der vom Streben nach dem Abbau von Zollbarrieren, vom Abbau nichttarifärer Hindernisse und staatlicher Subventionen die Rede war. Bevor er die Runde vorzeitig verließ, um nach Singapur aufzubrechen, zum Gipfel mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un, hatte der Amerikaner noch in typischer Neigung zum Superlativ von "ungemein erfolgreichen" Beratungen geschwärmt. Nur seien die USA eben nicht "das Sparschwein, das jeder schlachtet – das wird aufhören".

"Angela, Emmanuel, Justin"

Rede er mit Politikern anderer Länder über den Handel, würden viele nur lächeln, während er spreche. Das Lächeln stehe für: "Wir konnten nicht glauben, dass wir damit so lange ungestraft davon kamen." Sollte sich daran nichts ändern, hatte Trump kurz vor seiner Abreise gedroht, "werden wir mit ihnen keinen Handel mehr treiben". Was schon deshalb bizarr klang, weil er die G7 zugleich mit dem Vorschlag einer Freihandelszone ohne jegliche Zollhürden überraschte. Dennoch: Auf einer Skala von eins bis zehn könne man sein Verhältnis zu den anderen mit zehn bewerten, sagte er und nannte drei bei ihren Vornamen: "Angela, Emmanuel und Justin".

Einer der Genannten, der kanadische Premier Justin Trudeau, meldete öffentlich Widerspruch an. Im Grunde wiederholte er nur, womit er sich schon einige Tage zuvor aus dem Fenster gelehnt hatte: Trumps Entscheidung, ausgerechnet im Namen der nationalen Sicherheit Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte zu erheben, sei schon deshalb beleidigend, weil kanadische Soldaten seit dem Ersten Weltkrieg in jedem Konflikt Schulter an Schulter mit den Amerikanern gekämpft hätten: "Wir Kanadier sind höflich, wir sind vernünftig, aber wir lassen uns nicht herumschubsen."

Das veranlasste Trump zu einer seiner Twitter-Tiraden: Während des G7-Treffens habe der Gastgeber den Sanftmütigen und Milden gegeben, nur um hinterher zu erklären, die Zölle seien eine Beleidigung: "sehr unaufrichtig und schwach". Im Übrigen seien die Stahlzölle nur eine Reaktion auf den 270-prozentigen Zollaufschlag, mit dem Trudeau Milchprodukte aus den USA verteuere.

Launischer Zickzakkurs

Ein Präsident, der alte Verbündete mit gereizten Tönen brüskiert und sie mit launischem Zickzack vor Rätsel stellt, während er Russland trotz der Annexion der Krim einlädt, dem Klub der führenden Industrienationen wieder beizutreten; ein Präsident, der sofort aus der Haut fährt, sobald einer dieser Verbündeten Kritik an seinem Vorgehen anmeldet. In den USA hat die Konstellation mit ihren so noch nie erlebten Kontrasten einen heftigen Diskurs ausgelöst. Eine Debatte, bei der sich scharfe Kritik an Trump mit euphorischer Zustimmung mischt.

"Ob der Mann den Kurs Wladimir Putins fahre oder eine amerikanische Strategie verfolge?", fragt Chuck Schumer, die Nummer eins der Demokratischen Partei im Senat. "Angesichts der vergangenen Tage fällt es einem schwer, das zu beurteilen."

Der schwerkranke Republikaner John McCain richtete per Twitter einen dramatischen Appell an die Alliierten. Parteiübergreifende Mehrheiten von Amerikanern seien nach wie vor für den Freihandel, sie sähen die Globalisierung positiv und unterstützten Allianzen, die auf 70 Jahren gemeinsamer Werte beruhten. "Die Amerikaner sind auf eurer Seite, auch wenn unser Präsident es nicht ist."

Versuch, die Zolldekrete zu blockieren

Bob Corker, ein außenpolitisches Schwergewicht der Republikaner, brachte einen Gesetzesentwurf ein, der Trumps Zolldekrete blockieren soll. Ob die Initiative Erfolg haben wird, ist völlig offen. Gleichwohl steht sie für den ersten Versuch der alten Garde in den Reihen der Konservativen, dem Protektionisten im Oval Office in die Parade zu fahren.

Andererseits mangelt es aber nicht an Stimmen, die Trump in der Rolle des tapferen Helden sehen, der allein gegen eine feindliche Übermacht und furchtlos für nationale Interessen kämpft. Jeanine Pirro, Moderatorin bei Fox News, spitzt es zu: "America is back!" Amerika sei wieder im Rennen, die Wirtschaft erklimme historische Gipfel, das Vertrauen der Konsumenten sei so groß wie seit 18 Jahren nicht mehr. "Und der Präsident hat keine Angst." Im Übrigen sei er derjenige, der beim G7-Treffen alles dominiert habe. "Amerika ist wieder da, Leute!"

Und dann ist da noch ein Schnappschuss, der für Diskussionen sorgt: Angela Merkel und die anderen stehen vor dem mit verschränkten Armen dasitzenden Donald Trump. Ist er in der Defensive? John Bolton, Sicherheitsberater im Weißen Haus, interpretiert es so: Das Bild, twitterte er, illustriere eine weitere G7-Runde, bei der andere Staaten von Amerika erwarteten, die Rolle ihrer Hausbank zu spielen. Der Präsident habe klargemacht: "So geht es nicht weiter." (Frank Herrmann aus Washington, 10.6.2018)

Sitzenbleiben als Machtgestus: Donald Trump ließ Merkel und Co zu sich kommen – um später die Gipfelerklärung buchstäblich in der Luft zu zerreißen.
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