Spätestens wann wissen Medienmenschen, dass sie die richtige journalistische Frage gestellt haben? Dann, wenn hochgestellte politische Interviewpartnerinnen und -partner nach der dritten Wiederholung der Frage ungehalten und angriffig werden. Dies, um eine konkrete Antwort schuldig bleiben zu können.

Angriff ist angeblich die beste Verteidigung.

Das Spiel ist nicht neu: keine klare Antwort, stattdessen der Vorwurf mangelnder journalistischer Professionalität. Das richtige und wichtige Thema sei schließlich ein ganz anderes. So geschehen auch am Samstag im Ö1-"Mittagsjournal". Zu Gast war Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP), Initiator der am Vortag beendeten zweitägigen Medienenquete im Wiener Museumsquartier. Fragesteller war ein erst jüngst mit dem Robert-Hochner-Preis ausgezeichneter, hochprofessioneller ORF-Journalist.

Dessen schlicht professionelle Fragen waren:

1. Wird der ORF auch künftig nicht per Regierungsbudget, sondern wie bisher regierungsunabhängig durch Gebühren finanziert?

2. Werden kommerzielle Medien samt ihrer Sender an den Sendegebühren des ORF noch mehr als bisher partizipieren können? Oder eben nicht?

Die Ministerantwort auf diese mehrfach wiederholte Frage blieb vage. Sehr im Gegensatz zum FPÖ-Politiker Jenewein. Das neue Gesetz werde Anfang kommenden Jahres vorgestellt. Die Schwerpunkte der Enquete seien jedoch andere gewesen: Public Value und digitale Medienwelt.

So auch die Schaffung einer europäischen Konkurrenz zu Google und Facebook. Nach Möglichkeit sogar dank einer österreichischen Initiative. Anders gesagt, Österreich habe die Chance, international Mediengeschichte zu schreiben, basierend auf dem Buch jenes Geschäftsführers eines hiesigen Kommerzsenders, dessen Eigentümer in Deutschland sitzen.

Gruß aus der europäischen Provinz

Den Buchtitel erhob der Minister zugleich zu einem Fachwort aus der Expertenwelt. Wie die Medien der zerstrittenen EU-Mitgliedsstaaten allerdings dazu gebracht werden könnten und sollten, gemeinsam an einem Anti-Google-, Anti-Facebook-Strang zu ziehen, bleibt ein Rätsel. Also: Österreich, geh du als Vorbild voran. Dieses Vorhaben ist wunderschön, wenn auch leicht vermessen – es wirkt wie ein Gruß aus einer europäischen Provinz.

Tatsächlich war der Digitalisierung aller Medien, deren Vor- und Nachteilen, aber auch Gefahren breiter Raum auf der Enquete gewidmet. Ebenso dem Begriff Public Value, also guten Bildungs-, Kultur- und Informationssendungen, aber auch entsprechenden Unterhaltungsprogrammen. Öffentlich-rechtliche Medien sind hierzu verpflichtet, kommerzielle nicht. Auch hier können diese – mit Mitteln aus den Gebühren, also auf Kosten der Gebührenpflichtigen – ihre eigenen Standards setzen. Das ist der feine und überhaupt nicht kleine Unterschied: Kommerzmedien, finanziert durch staatliche Gebühren, sind ein Widerspruch in sich.

Deutsche Wissenschafter widmeten ihre Keynotes ausführlich und relativ unverbindlich diesen Themen. Die österreichischen Experten saßen vereinzelt im Publikum und waren nur als solches geladen. Warum eigentlich? Sie kennen die österreichische Medienszene besser als die eingeflogenen Kollegen.

Immerhin: Gerhard Zeiler, einst ORF-Generaldirektor, heute Turner-International-Chef, widmete sich der Notwendigkeit eines von Regierungen unabhängigen und durch Gebühren finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Sicherlich müsse der ORF entbürokratisiert werden. Sicher sei jedoch auch, dass es Aufgabe von Journalisten sei, Dinge auf den Punkt zu bringen und kritisch zu hinterfragen. Seitens der Politik sei kluge Besonnenheit angesagt. Zeilers Schlusswort, gerichtet an den Medienminister, hier sinngemäß zitiert: "Sie, Herr Minister, werden eine folgenschwere Entscheidung treffen müssen." Wie wahr.

Finanzielle Not bei Gratisblättern

Bei einem Panel am ersten Tag der Enquete saß die Co-Autorin ihres Chefs und Infochefin jenes Kommerzsenders, dessen Eigentümer in Deutschland sitzen. Neben ihr die Herausgeberin des einen österreichischen Gratisblattes, wenige Sitze weiter der Sohn des Herausgebers des anderen Gratisblattes. In beiden Gratisblättern wurde bisher seitens Regierender per Inserate großzügig "Presseförderung" betrieben. Warum sie dennoch in einer finanziell prekären Lage seien, bleibt ein Rätsel.

Unisono betonten sie die finanzielle Not ihrer Medien. "Wir möchten ja Public Value produzieren, aber hierfür müssen wir einfach auch an den ORF-Gebühren partizipieren", ungefähr so klagten sie ihr Leid. Der größte private Sender müsse sogar alle seine Einnahmen in den Wiederaufbau eines brachliegenden dritten Kommerzsenders des Konzerns stecken. Für Bildungsprogramme seien da keine finanziellen Reserven da.

Sollte der ORF künftig tatsächlich durch das Regierungsbudget finanziert werden, sollten zugleich die ORF-Gebühren tatsächlich auch den Kommerzsendern gewidmet werden, erst dann kann man wirklich von einem Staatsfunk sprechen. Sollte dies ein Ziel des zu erwartenden neuen ORF-Gesetzes werden, dann ist der Ausverkauf eines bislang unabhängigen Mediums nicht nur angesagt, sondern gedanklich bereits vollzogen. (Rubina Möhring, 11.6.2018)