Das Debüt der Wiener Band Drahdiwaberl. Das 1981 erschienene Album Psychoterror gilt als religionsstiftend für die Fangemeinde.

Foto: GiG Records

Früher oder später wäre es ohnehin dazu gekommen, denn was wäre ein Rückblick auf heimische Popmusik ohne Drahdiwaberl? Aber erst der Tod von Stefan Weber vor zwei Wochen diktierte den Termin für die Würdigung der Wiener Band. Wobei Würdigung ja auf den Begriff Würde zurückgeht, und auf die hat Weber – Pardon – g'schissen.

Damit befinden wir uns mittels Arschbombenlandung im Thema. Drahdiwaberl kümmerten sich nicht um bürgerliche Akzeptanz, Weber und Co waren an Schmutz und Schund interessiert.

Aus den Hinterzimmern auf die Bühne

Das waren Themen, denen sich Spießer nur in Hinterzimmern oder hinter geschlossenen Vorhängen widmeten, wenn der Herr Hofrat der Gattin im Dunklen lustlos beiwohnte. Wonach sie sich wirklich verzehrte und an wen er dabei wirklich dachte – dafür interessierte sich Drahdiwaberl.

Der Drahdiwaberl Report – ein halbstündiges Manifest, das die Mission und die Wirkung der Band erklärt.
hamrecords

Drahdiwaberl waren die, die den Vorhang weggezogen haben und den Scheinwerfer auf das Elend schwenkten. Dazu war ihnen kein Blödsinn zu tief, keine Infantilität zu kindisch. Im Gegenteil. Der Kunstprofessor Weber wusste: Die Kreativität wuchert nur, wenn man sie nicht links und rechts mit Regelwerk beschneidet. Bei Drahdiwaberl waren nur Verbote tabu.

Im Rahmen des Gedenkens anlässlich des hundertjährigen Bestehens der Republik widmet sich die Reihe "Zwickt's mi" österreichischer Popmusik. Einzelne Alben, Songs und Künstler, die die heimische Populärmusik geprägt haben, werden in Erinnerung gerufen und vorgestellt.

Strategie gegen den Nachkriegsmief

Unter dem Eindruck des Wiener Aktionismus als Strategie gegen den Nachkriegsmief gründete sich die Band 1969. Im Laufe der Zeit entwickelten sich Drahdiwaberl zu einem Durchlauferhitzer für Talente. Falco spielte Bass in der Band, die Jazz Gitti war dabei und natürlich Thomas Rabitsch.

Raunzen, bis der Arzt kommt: Psychoterror auf der Kärntner Straßen: "Die armen Geschäftsleute".
Egon Liebhaber

Vor allem ihre Livekonzerte waren legendär, waren Messen für die ergebene Gemeinde. Und diese wuchs in den frühen 1980ern beträchtlich, nachdem Drahdiwaberl mit dem Album Psychoterror 1981 endlich ihr Debüt ablieferten. Das kredenzte Titel wie Ganz Wien oder Ausgeflippter Lodenfreak –wie man heute weiß: künftige Klassiker.

Lustvolle Spektakel

Musikalisch orientierte sich die Band am Hardrock, ein wenig an New Wave – dabei spielte sie für das eine zu viel Keyboards und für das andere zu viel Gitarre. Das war aber wurscht.

Mulatschag – ein Elfminüter mit Extras aus der Youtube-Giftküche des früheren Drahdiwaberl-Mitglieds Chris Bauer.
Chris Bauer

Weber und Co bedienten die Nachfrage nach einem lustvollen Spektakel – nach einer Katharsis im Anschluss an die Mühen des Amtsweges des bürgerlichen Lebensentwurfs. Drahdiwaberl predigten die Loslösung davon.

Legendäre Schulschlusskonzerte

Legendär waren diesbezüglich die Schulschlusskonzerte der Band – die gewissermaßen die Lass-die-Sau-raus-Kultur der heutigen, brav organisierten Maturareisen vorweggenommen haben. Allerdings mit besserer Musik und einer Botschaft. Diese lautete "Scheißt euch nicht an!" und "Lass Dir nicht auf den Kopf scheißen!".

1982 landete dieser Song in der Hitparade: Stefan Weber und Lukas Resetarits (Major Kottan) singen Lonely. Im Video tauchen etliche Bekannte auf.
meganermal

Weber und Drahdiwaberl waren damit nicht bloß eine Band, sie waren Missionare einer notwendigen Renitenz gegen den öden Alltag. Sie riefen zu zivilem Ungehorsam auf – verkleidet in Polizeiuniform, behängt mit einem Plastikdildo.

Nitsch für Wappler

Sie luden zum Tanz im Tierkostüm und einer Dreh-und-trink-Dusche. Ihre Kunst war ein Angriff auf den sogenannten guten Geschmack im Nebel eines Mehlbombardements – mit Ketchup als Trägerrakete. Nitsch war dagegen ein Lercherlschas für Hochkulturwappler. Drahdiwaberl hingegen missionierten einen heiteren Humanismus aus der Gosse – und hatten Spaß daran.

Aus dem Forum unterhalb des Nachrufs auf Weber lässt sich ablesen, welche befreiende und pädagogisch wertvolle Kraft diesem Irrsinn innewohnte, welche Lektion fürs Leben Weber und Co vermitteln konnten. Nicht für die Schule lernen wir, sondern vom Professor.

Chris Bauer

Zumindest die ersten drei Alben – Psychoterror, McRonalds Massaker und Werwolfromantik – lebten von diesem Geist, dann war der Schmäh leidlich bekannt. Spätere Werke wie Jeannys Rache oder der Sperminator aus den 1990ern dienten eher als Vorwand, wieder live zu spielen, besonders wertvolle Tondokumente waren das nicht. Doch da war die Band längst Kult und Weber ein liebgewonnener Irrer, der vehement auf der Seite der Benachteiligten und Unterdrückten stand.

Mit Anlauf ans Bein ...

Ein Hofnarr, der sich nicht vereinnahmen ließ, sondern den Höfischen mit Anlauf ans Bein brunzte – pinkeln wäre eine zu feine Wortwahl für das Ausmaß der Benetzung. Kein zu Kreuze kriechender Schnösel, sondern ein Vollkontaktprediger für die individuelle Freiheit in einer sozial gerechten Gesellschaft. So betrachtet könnte Weber unsere Welt vielleicht einfach aus Ekel verlassen haben. (Karl Fluch, 16.6.2018)