Als das Leben an Land noch eine ganz neue Errungenschaft war: die Pioniere Umzantsia und der etwas größere Tutusius.
Illustration: Maggie Newman

Johannesburg – Vor etwa 380 bis 360 Millionen Jahren, im späten Devon, fand eine der entscheidenden Phasen in der Geschichte des Lebens statt: Knochenfische aus der Gruppe der Fleischflosser nutzten ihre muskulösen Flossen, um für immer längere Zeiträume an Land zu kriechen und sich schließlich zu den allerersten Landwirbeltieren weiterzuentwickeln. Der berühmte Ichthyostega und der etwas ältere, erst 2006 entdeckte Tiktaalik sind zwei Vertreter dieser Phase, die man sich eher als fließenden Übergang denn als einmaligen Entwicklungssprung vorstellen muss.

Bislang beschäftigten sich Forscher vor allem mit der Frage, wann dieser folgenreiche Schritt der Evolution gesetzt wurde – und kaum jemals mit der Frage, wo. Da glaubte man aufgrund früherer Fossilienfunde ohnehin Bescheid gewusst zu haben: In den Tropen müsse es gewesen sein. Zwei aktuelle Funde aus Südafrika, die im Fachmagazin "Science" vorgestellt wurden, relativieren dies nun aber.

Zweigeteilte Welt

Im Devon war die Welt ähnlich zweigeteilt wie viel später im Mesozoikum. Die große Landmasse im Norden hieß aber nicht Laurasia, sondern Laurussia und umfasste das heutige Nordamerika, Grönland, Nord- und Osteuropa sowie Nordasien. Diese heute hoch im Norden liegenden Regionen befanden sich allerdings viel weiter südlich, als die ersten Tiere an Land gingen. Und fast alle Fossilien dieser frühen Tetrapoden stammen aus Laurussia.

Der deutlich größere Superkontinent im Süden hingegen, Gondwana, lieferte bisher kaum Material. Man kannte lediglich einen Kieferknochen einer Spezies namens Metaxygnathus sowie nicht zuordenbare Fußspuren, beides im Osten Australiens entdeckt. Diese Region war damals der nördlichste Ausläufer des riesigen Gondwana und ragte in die tropische oder zumindest subtropische Zone hinein. Die Folgerung: Die Wirbeltier-Pioniere traten ihren Siegeszug in den Tropen an, vermutlich begünstigt durch die angenehmen Lebensbedingungen dort.

Zwei weitere Pioniere

Jetzt aber dürften zwei neuentdeckte Spezies zu einem Umdenken führen. Deren Fossilien wurden in Südafrika gefunden – und das lag damals auf der anderen Seite Gondwanas. Auf einer Höhe von etwa 70 Grad südlich befand sich die Region der Fundstätten damals unter dem südlichen Polarkreis.

Eine der beiden Spezies, die vor 350 bis 360 Millionen Jahren lebten, erhielt die Bezeichnung Tutusius umlambo, benannt nach dem Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu. Für den Archäologen Robert Gess vom Albany Museum in Grahamstown, Südafrika, war es eine Entscheidung mit Symbolkraft: "Als ich über passende Namen nachdachte, erkannte ich, dass diese Vierbeiner den Weg aus einem fast sauerstofffreien Sumpf hinaus ans Sonnenlicht vorgegeben haben. In vielerlei Hinsicht ist das eine Metapher für das Wirken von Desmond Tutu."

Fossil 1: Das Cleithrum (ein Knochen aus dem Schultergürtel) von Tutusius umlambo.
Foto: Rob Gess und Per Ahlberg

Tutusius, von dem nur ein einzelner Knochen aus dem Schultergürtel erhalten geblieben ist, muss etwa einen Meter lang gewesen sein. Die etwas kleinere zweite Spezies, Umzantsia amazana, hinterließ schon ein paar Überreste mehr. Anatomische Vergleiche führten zum Schluss, dass beide Tiere den bekannten Vierfüßler-Pionieren geähnelt haben müssen. Man könne sie sich wie eine Kreuzung aus Fisch und Krokodil vorstellen, fassen es Gess und sein Kollege Per Ahlberg von der schwedischen Universität Uppsala zusammen: mit einem reptilienhaften Kopf, Stummelbeinen und einem Schwanz mit fischartiger Flosse.

Obwohl die Tiere in der Antarktis des Devons lebten, darf man sich ihr Umfeld aber nicht wie die heutige Eiswüste vorstellen. Neben den Fossilien der Tiere wurden auch die Überreste zahlreicher Pflanzen gefunden. Es dürfte sich um ein Brackwasser-Gebiet gehandelt haben, das dicht bewaldete Mündungsgebiet eines Flusses. Eines aber war auch damals gleich wie heute: Ein halbes Jahr lang war die Region in Finsternis gehüllt, was für ihre Flora und Fauna eine Herausforderung gewesen sein muss.

Fossil 2: Der gleiche Knochen bei Umzantsia amazana.
Foto: Rob Gess und Per Ahlberg

Gess und Ahlberg werfen daher die Frage auf, ob es nicht sogar diese harschen Bedingungen selbst gewesen sein könnten, die die Evolution der Landwirbeltiere begünstigten – was auf das komplette Gegenteil der bisherigen Annahmen hinausliefe. Allerdings räumen sie ein, dass das eine bloße Vermutung ist. Als einzige Gewissheit hat man nun, dass der erste Landgang wirklich überall erfolgt sein kann. (jdo, 16. 6. 2018)