"Genderwahnsinn" oder gerechte sprachliche Abbildung der Geschlechter?

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Wien – Wird bald das Binnen-I oder das Gender-Sternchen (der Asterisk) in den Duden Eingang finden? Nein. Aber der Rat für deutsche Rechtschreibung überlegt intensiv, inwiefern man geschlechtergerechte Schreibweisen im Deutschen umsetzen könnte. Seit November 2017 gibt es eine entsprechende Arbeitsgruppe.

Am Freitag tagte der Rat in Wien mit dem Ergebnis, dass man weiterhin der gelebten Sprache nicht vorgreifen wolle und sich aus der bisherigen Beobachtung von Schreibweisen noch keine eindeutige Tendenz habe ableiten lassen. Deshalb wird weiter beobachtet, um dann bei der nächsten Sitzung im November etwaige mögliche Empfehlungen an staatliche Stellen vorlegen zu können.

Empfehlung, nicht Vorschrift

Auch die Leiterin der Duden-Redaktion, Kathrin Kunkel-Razum, gibt Entwarnung. Im gelben Regelwerk könne höchstens eine Empfehlung dazu aufgenommen werden, mit welchen sprachlichen Mitteln das Gendern realisiert werden kann. Nicht hingegen als Vorschrift.

Von "verhunzter Muttersprache" und "Genderwahnsinn" sprechen indes nicht nur die AfD, sondern auch namhafte Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die sich jüngst in der "Zeit" zuweilen hämisch über die geschlechtergerechte Nachjustierung der deutschen Sprache äußerten, darunter Eva Menasse und Feridun Zaimoglu. Differenzierter sehen das Kathrin Röggla, Marcel Beyer oder Ursula Krechel.

Besser versteckt als unter einer Burka

Womöglich auch beflügelt von der #MeToo-Debatte ist die Akzeptanz von Mädchen und Frauen, in Bezeichnungen wie "Schüler" oder "Kosmetiker" ohnehin mitgemeint zu sein, deutlich gesunken. Studien haben gezeigt, wie sehr Sprache die Wahrnehmung von Menschen prägt und wie sehr sie ausgrenzen kann. Die Sprachwissenschafterin Luise Pusch meinte in einem markigen Vergleich gar, Frauen seien in der deutschen Sprache besser versteckt als unter einer Burka.

Dass sich der Rechtschreibrat mit dem Gendern beschäftigt, geht auf eine Anfrage der Berliner Landesstelle für Gleichbehandlung zurück, die nach Formulierungsempfehlungen gefragt hatte. Welche Wendungen sich letztlich im Sprachgebrauch durchsetzen, wird weiter beobachtet. Einige Punkte aber sollten beachtet werden: Verständlichkeit, (Vor-)Lesbarkeit, die Gewährleistung von Eindeutigkeit und Rechtssicherheit sowie grammatikalische Korrektheit.

Beseitigen sprachlicher Ungleichheiten

Sich um eine nichtdiskriminierende Sprache zu bemühen "wäre ein Zeichen, dass wir überhaupt Gleichheit wollen", meint der Berliner Sprachwissenschafter Anatol Stefanowitsch. Es gehe nicht darum, Meinungen zu verbieten, betont er, sondern um das Beseitigen struktureller sprachlicher Ungleichheiten. (afze, APA, 11.6.2018)