Sölden – Dem wachsamen Auge der hochauflösenden 24-Stunden-360-Grad-Webcam am Gaislachkogl entgeht nichts. Im Winter kann hier von Wintersport-Aficionados frühmorgens überprüft werden, ob die prognostizierte Neuschneemenge und das folgende Schönwetterfenster tatsächlich auch eingetroffen sind. Und im Sommer wird das versprochene Wanderwetter kontrolliert.

Noch zeigt die Livecam auf gut 3.040 Metern hoch über Sölden das geschäftige Treiben einer Baustelle inklusive schwerem Gerät, Transportfahrzeugen und Arbeitern. Bis 12. Juli, sagt Jakob Falkner, Geschäftsführer und Miteigentümer der Söldener Bergbahnen, wird hier heroben aber alles aufgeräumt sein. "Das müssen wir hinkriegen. Da wird nicht mehr debattiert." Dabei konnten die Webcambilder – oder Besuche mit eigenen Augen vor Ort – in den vergangenen zwei Jahren die intensivsten Arbeiten gar nicht einfangen: In geheimer Mission wurde hier eine Erlebniswelt in den Berg geschlagen.

Die James-Bond-Erlebniswelt wurde neben dem Restaurant Ice Q auf 3.040 Meter Seehöhe geschaffen.
Kristopher Grunert

In gut einem Monat steigt am Gaislachkogl die Eröffnungsfeier eines millionenschweren Vorhabens, das noch mehr nationale und vor allem internationale Gäste in den bekannten Ort im Tiroler Ötztal locken soll. 007 Elements heißt die Kinoinstallation, die einen kühlen Weltstar in Permafrostumgebung in Szene setzt. Die Schaffung einer James-Bond-Welt in Sichtweite des Söldener Rettenbachgletschers ist dem Sturschädel von Falkner zu verdanken: Er wollte von 007 touristisch mehr haben als nur als Drehort im 24. James-Bond-Film "Spectre" (2015) zu dienen.

Bild nicht mehr verfügbar.

Daniel Craig war am Gaislachkogl.
Foto: AP / Jonathan Olley

Denn dafür mussten die James-Bond-Macher um Regisseur Sam Mendes nicht nur nicht zahlen, sondern wurden sogar dafür bezahlt, dass hoch über Sölden auch Schüsse fielen und eine Verfolgungsjagd inklusive Daniel Craig alias James Bond im Helikopter gedreht wurde. In den paar Filmminuten wurde auch nicht erwähnt, dass sich Bond gerade in Sölden aufhält – ein weiterer österreichischer Drehort, nämlich Altaussee, allerdings sehr wohl.

Entstanden ist eine 1.300 Quadratmeter große Einrichtung im Berg, die gleich neben dem markanten Gipfelrestaurant Ice Q betreten wird, das im Film mit seiner markanten Glasfassade als "Hoffler-Klinik" bekannt wurde.

Der Start in die 007-Welt ist ein wenig verhalten.
Kristopher Grunert

Der Start in die bislang erste permanente Bond-Ausstellung wird dem, was noch kommen wird, aber noch nicht gerecht, wie DER STANDARD bei einer ersten Begehung feststellen musste: In einem dunklen, leicht abfallenden Gang aus hohen Betonwänden läuft die Titelmelodie "Writing's on the Wall" von Sam Smith, während sich auf einem großen Screen Octopus-Tentakeln im Feuer mit sich ebenso räkelnden Körpern vergnügen.

Je tiefer es in den Berg geht, umso faszinierender wird die Welt von James Bond aber auch für 007-Fremde. Der Innsbrucker Architekt Johann Obermoser hat neun Räume aus Beton und Stahl geschaffen, die der Reihe nach und in Gruppen von 15 bis 20 Personen beschritten werden sollen.

In der "Lobby" der Ausstellung – inklusive künstlichem Lagerfeuer. Die Betonbänke sind beheizt, sonst ist es arschkalt.
Kristopher Grunert

Die Räume sind verwinkelt, verwirren den Besucher, jeder hat eine andere Proportion, eine andere Geometrie. Auf gebogenen Riesen-LED-Bildschirmen werden bekannte Actionsequenzen auch aus historischen James-Bond-Filmen gezeigt und gegengeschnitten, der Besucher muss hochkonzentriert bleiben und sich bewegen, um den Szenen folgen zu können.

Der Briefing-Room von 007.
Kristopher Grunert

Vergleichsweise ruhiger wird es, wenn Architekt Obermoser aus dem Dunkel des Berginneren heraus dank riesiger Glasfenster Ausblicke in die atemberaubende Tiroler Bergwelt erlaubt.

Ausblick in die Tiroler Bergwelt und auf die Söldener Drehorte.
Kristopher Grunert

Die realen Drehorte des Films "Spectre" lassen sich von oben nachvollziehen, hier wurde die Verfolgungsjagd Bonds mit dem Helikopter gedreht, dort sind die Schüsse aus dem Auto auf der Gletscherstraße gefallen. Auf interaktiven Bildschirmen lassen sich zudem zahlreiche Zusatzinfos zu den Drehorten in Erfahrung bringen.

Auf interaktive Touchscreens wird in der Ausstellung viel Wert gelegt.
Kristopher Grunert

In 007 Elements werden Besucher aber auch ehrlich betrogen. Dafür verantwortlich sind Neal Callow, Creative Director der Kinoinstallation und Art Director der jüngsten vier Bond-Filme "Spectre", "Skyfall", "Quantum of Solace" und Casino Royale" sowie der in Los Angeles lebende Berliner Tino Schaedler mit seiner Kreativagentur Optimist Inc.

So können Interessierte via Touchscreens und auf einander überlappenden Filmsequenzen entdecken, wie tatsächlich für "Spectre" gedrehte Actionszenen ausgesehen haben, welche Inhalte computergeneriert wurden – und wie dann das Endresultat im Kino aussah.

Der sogenannte Screening-Room, einer der neun Räume der 007-Ausstellung. Hier werden Actionszenen von "Spectre" gezeigt.
Kristopher Grunert

Die Ergebnisse sind beeindruckend ehrlich und ernüchternd zugleich. Die Szene aus Mexiko-Stadt inklusive Bonds Hubschrauberlooping wurde nur mit einer Handvoll Leuten auf einem abgesperrten Platz gedreht. Im Film ist der Platz knackevoll mit Menschen.

Um die Hightechausstattung der Ausstellung vor der Kälte zu schützen, musste übrigens jedes Gerät speziell eingekleidet werden – "was durchaus ein nicht außer Acht zu lassender Kostenpunkt war", wie Tino Schaedler einräumte.

Riesige Bildschirme, Spiegel, Action und eingängiger Sound: Der Besucher muss sich wirklich konzentrieren, um alle Details auch erleben zu können.
Kristopher Grunert

Und noch eine Illusion verrät Neal Callow bei der Führung durch 007 Elements: "Die Filmszenen im Inneren der Hoffler-Klinik sind allesamt in den Pinewood Filmstudios nahe London entstanden." Auch die mit der Tiroler Bergkulisse hinter den Glasfenstern des Ice Q Restaurants? Callow: "Auch die." Das gesamte Ice-Q-Restaurant wurde detailgetreu und um einige Räume vergrößert in den James-Bond-Studios nachgebaut – und danach wieder zerstört. Und für das Panorama wurden riesige hochauflösende Fotos auf eine gebogene Wand geklebt – und danach wieder zerstört.

Die Innenaufnahmen im Ice-Q-Restaurant, das im Film als Hoffler-Klinik diente, wurden allesamt in den Pinewood Filmstudios gedreht. Dafür wurde das Ice Q um einige Räume vergrößert nachgebaut.
Foto: Rudi Wyhlidal

Real wird es wieder, wenn es zahlreiche James-Bond-Memorabilia hinter Schaukästen zu besichtigen gibt: Den legendären goldenen Colt aus dem fast gleichnamigen James-Bond-Film aus 1974 ("Der Mann mit dem goldenen Colt") mit Roger Moore – oder andere Gimmicks des fantastischen Bastlers Q, der als Quartiermeister für die technischen Spielzeuge Bonds verantwortlich zeichnet.

Für die 007-Sehenswürdigkeit am Gaislachkogl haben die Söldener Bergbahnen einen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag lockergemacht. "Es waren aber weniger als 20 Millionen", sagt Falkner. Nähere Vertragsdetails mit der britischen Filmproduktionsgesellschaft Eon Productions dürfen nicht bekanntgegeben werden. "Der Vertrag für 007 Elements läuft aber zig Jahre", sagt Oliver Schwarz, Direktor des Ötztal-Tourismus. Neben jährlichen Lizenzgebühren fallen für die Söldener Bergbahnen weitere Kosten an, um Bond-Merchandising anbieten und Eintrittsgelder einheben zu dürfen.

Kristopher Grunert

Der Eintritt beträgt für Erwachsene 22 Euro. Da sind die Fahrten mit den modernen Gaislachkoglbahnen I und II, die die Besucher in knapp 13 Minuten von der Talstation auf 1.363 Meter zum Ziel auf 3.040 Meter Seehöhe bringen, noch nicht inkludiert. Das Kombiticket ist auch kein Lercherlschas und kommt auf 54 Euro.

Bergbahnen-Geschäftsführer Falkner rechnet im zweiten Jahr mit "mindestens 120.000 Gästen" in der Kinoinstallation und gibt sich auch sonst betont locker. "Die Millionen, die wir ausgegeben haben, werden schon wieder hereinkommen." Weniger relaxt war Falkner nach den witterungsbedingten Verspätungen.

Sölden / Soelden / Solden

Eigentlich wollte er 007 Elements schon Ende 2017 aufsperren, frühe Schneefälle machten das Unterfangen aber unmöglich. "Teilweise wurde auch bei minus 28 Grad Außentemperatur und starkem Wind gearbeitet", erklärt Architekt Obermoser. Zudem galt beim Bau im ökologisch sensiblen Permafrostboden höchste Vorsicht. "Ich will nicht", sagt Falkner, "dass ein Geologe in zehn Jahren daherkommt und sagt, dass wir den Berg wegen Gefahr im Verzug zusperren müssen. Das wäre ein Desaster."

Mit der James-Bond-Attraktion will Falkner die Saison in Sölden weiter ausdehnen – von derzeit 245 bis 260 Tagen auf 300 Tage. Schon jetzt gilt der Ort – abgesehen von den wenigen Tagen toter Hose im Frühjahr und Herbst – den vielen Touristen als Alpen-Disneyland. Die Zielgruppe Kinder hat die 007-Ausstellung übrigens nicht im Fokus. "Wir geben als Empfehlung ab 14 oder 16 Jahren ab", sagt Falkner.

Für den Bau verwendete Architekt Obermoser hauptsächlich Beton und Stahl.
Kristopher Grunert

Die Besucher sollten jedenfalls auch im Hochsommer warm eingepackt inklusive Haube und Handschuhen auf den Gaislachkogl zu 007 kommen: Das Gebäude ist auf ein Grad Celsius stabilisiert, um den Permafrost nicht zu beeinflussen. Die Betonbänke in der Ausstellung werden aber beheizt. (David Krutzler, 12.6.2018)