Bitte einsteigen: In den Fotografien von Alfred Seiland verschmelzen bisweilen Natur und Kultur.

Foto: Alfred Seiland

Alfred Seiland: Proleb, Österreich, 1981.

Foto: Alfred Seiland

Wien/Linz – Eine Werbekampagne für die Frankfurter Allgemeine Zeitung machte den österreichischen Fotografen Alfred Seiland Mitte der 1990er-Jahre einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Ausgehend vom Slogan "Dahinter steckt immer ein kluger Kopf" zeigte er in raffiniert maßgeschneiderten Szenerien Prominente dabei, wie sie lesend hinter der großformatigen Zeitung verschwinden. Bergsteiger Reinhold Messner vertiefte sich hoch oben in einer Felswand in die täglichen Neuigkeiten. Model Nadja Auermann, rank und schlank, ward im Zoo neben den Giraffen beim Lesen abgelichtet.

Hintersinn und Schmäh durchwehen auch das übrige Schaffen des 1952 im Lungau geborenen Künstlers. Davon sollte man sich in aktuellen Ausstellungen in Wien und Linz überzeugen. In der Retrospektive der Albertina finden sich auch Bilder aus der mehrfach preisgekrönten FAZ-Werbekampagne. Abseits davon wird man Menschen in Seilands Bildern jedoch nur am Rande begegnen, und auch auf schnelle Pointen sollte man in seiner nichtkommerziellen Arbeit nicht allzusehr hoffen.

Alfred Seiland: Odessa, Delaware, USA, 1983.
Foto: Alfred Seiland

Der Blick des Fremden

In der Albertina führen frühe Fotografien zunächst in die US-amerikanische Lebenswelt: Autos, Motels, Leuchtreklamen, Werbetafeln in der Wüste. Die ungewohnte Ästhetik faszinierte Seiland, als er 1975 erstmals aus seinem Wohnort Leoben in die Staaten reiste. Den Blick des Fremden übersetzte er dann mittels Großbildkamera in Tableaus, die etwa das Nebeneinander von Natur und Kultur in den Blick rücken – dies anschaulich in einer Fotografie, die ein Autodrom in einer Sumpflandschaft zeigt.

Eigenartig nahe rücken Landschaft und Technologie einander hier nicht zuletzt durch die Tiefenschärfe: Seilands Methode umgeht das fotografische Phänomen des "verschwommenen Hintergrunds" – alles erscheint gleich scharf und dadurch verschmolzen.

Alfred Seiland: Wildwood, New Jersey, USA, 1983.
Foto: Alfred Seiland

Aneignung der Farbe

Bemerkenswert ist zudem Seilands Umgang mit Licht. Sei's ein Fernseher, sei's der schwache Schein eines Colaautomaten in der Dämmerung: Über Lichtquellen schafft Seiland vielfach eine besonders rätselhafte Atmosphäre. Die Lichtsetzung lässt seine Tableaus zuweilen wie Bühnenbilder erscheinen, allerdings wie solche, für die Stücke erst geschrieben werden müssten. Denn selbst wenn ab und zu Menschen auftreten, sind Geschichten durchwegs nur angedeutet.

Seilands Entscheidung für die Farbfotografie geht im Übrigen auf Vorbilder wie Joel Meyerowitz oder Stephen Shore zurück. Die US-Fotografen widersetzten sich der Auffassung, Farbbilder seien Werbung und Modemagazinen vorbehalten und daher "unkünstlerisch". In den USA verfeinerte Blickstrategien wandte Seiland in den 80er-Jahren auch auf die österreichische Kultur an, auf Buschenschank und Großglocknerstraße. Jüngst treibt ihn jedoch die Beschäftigung mit Erinnerungskultur um.

Alfred Seiland: Loipersdorf, Österreich, 1989.
Foto: Alfred Seiland

Auf der seit 2006 gepflegten Serie Imperium Romanum liegt in der Landesgalerie Linz der Fokus. Dafür bereiste Seiland Gebiete des ehemaligen römischen Reichs, um die Frage zu stellen, wie mit Kulturrelikten in der Gegenwart umgegangen wird, etwa mit der Klagemauer: Wie bei früheren Arbeiten wollte Seiland auch hier keine repräsentative, postkartentaugliche Fotografie schaffen. Von erhöhter Position aus nimmt er vielmehr auch das in den Blick, was vom Platz vor der Mauer aus nicht unmittelbar zu sehen ist – die Sicherheitsschleusen oder Absperrungen im Hintergrund. (Roman Gerold, 12.6.2018)

Alfred Seiland: Klagemauer und Tempelberg, Jerusalem, Israel, 2013.
Foto: Alfred Seiland