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Nachdem die Aquarius im frommen Rom – hier vor dem süditalienischen Hafen Pozzallo – nicht aufgenommen wurde, macht es jetzt, begleitet von der italienischen Marine, Kurs auf Valencia.

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Migranten wurden von einem Schlauchboot gerettet und auf die Aquarius gebracht.

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Salvini auf allen Kanälen: im TV, im Radio, auf Twitter, auf Facebook. Alles dreht sich um den bärtigen Innenminister und Vizepremier. Mit der für das private Rettungsschiff Aqua rius eigenmächtig verhängten Hafensperre dominiert der 45-jährige Mailänder seit drei Tagen sämtliche italienische Medien; er hat für seine Aktion in den Internet foren reichlich Lob erhalten, aber auch offiziell Kritik einstecken müssen, etwa aus dem Vatikan.

Die NGO "SOS MEDITERRANEE"
bestätigt Valencia als nunmehrigen Zielort.

Nur zwei Seiten kommen kaum zu Wort: der Regierungspartner Cinque Stelle, der bei den Wahlen vom 4. März fast doppelt so viele Stimmen erhalten hatte wie die Lega (32 Prozent gegenüber 17 Prozent), und der parteilose Premier Giuseppe Conte, der unsichtbar ist wie ein Phantom.

Koalitionsinterner Maulkorb

Wenn ein Vertreter der Protestbewegung es wagt, Salvinis plakative Ausländer-raus-Politik infrage zu stellen, wird er zurückgepfiffen. Livornos Bürgermeister etwa, Filippo Nogarin von den Cinque Stelle, hatte auf seiner Facebook-Seite angeboten, die Aquarius im Hafen seiner Stadt anlegen zu lassen und die über 600 Flüchtlinge aufzunehmen. "Ich verstehe, dass man an Europa ein Signal schicken will, aber die Kraftprobe mit Brüssel darf nicht auf dem Buckel von hunderten Männern, Frauen und Kindern erfolgen", schrieb Nogarin. Der Anruf aus Rom kam postwendend – die Löschung des Posts ebenso: "um der Regierung keine Probleme zu bereiten", schrieb Nogarin.

Der Maulkorb für den prominenten Bürgermeister war eine Demütigung für die Protestbewegung, die in der Flüchtlingspolitik eine deutlich tolerantere Linie vertritt als die Lega. Zwar hatten Cinque-Stelle-Chef Luigi Di Maio und sein Parteikollege und Transportminister Danilo Toninelli die Sperrung der Häfen öffentlich gebilligt – aber da hatte Salvini diese schon längst auf Twitter angekündigt und forsch den Hashtag #ChiudiamoIPorti ("wir schließen die Häfen") lanciert. Der überrumpelte Toninelli, der von Amts wegen für die Schließung der Häfen zuständig wäre, konnte später bloß noch treuherzig versichern, dass es den Flüchtlingen auf der Aquarius gutgehe und dass auf dem Schiff "genügend Essen für mehrere Tage vorhanden" sei.

Salvini dominiert

Die unerfahrenen "Grillini" sind dem langjährigen Berufspolitiker und Demagogen Salvini ganz einfach nicht gewachsen. Von Premier Conte schon gar nicht zu reden: Der Regierungschef vermied es am Montag bei einem Besuch eines Erdbebengebietes in Mittelitalien – trotz mehrerer Journalistenfragen – gänzlich, zum Schicksal der Aquarius Stellung zu nehmen. Vor der Hafensperre hatte die "Flat Tax" die Regierungsagenda und die öffentliche Diskussion dominiert – ebenfalls ein Thema, das der Lega am Herzen liegt. Das Bürgereinkommen der Cinque Stelle ist dagegen aus den Schlagzeilen verschwunden.

Lega-Chef Salvini (hinten) dominiert Vizepremier Di Maio (vorne links) und Regierungschef Conte (vorne rechts).
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Keine zwei Wochen nach ihrer Vereidigung ist bereits offensichtlich, dass es sich bei der neuen italienischen Exekutive nicht um eine "Regierung Conte", sondern um eine "Regierung Salvini" handelt. Die Art und Weise, wie Conte und Di Maio – der wie Salvini ebenfalls Vizepremier ist und mittlerweile als Hampelmann angesehen wird – vom Innenminister und Lega-Chef vorgeführt werden, hat vor allem im linken Flügel der "Grillini" großes Unbehagen ausgelöst und bringt Di Maio zusehends unter Druck. "Wir laufen Gefahr, von unseren Wählern als willige Komplizen Salvinis wahrgenommen zu werden", warnen zahlreiche Aktivisten im Blog der Fünf Sterne – und fordern eine interne Diskussion.

Massiver Stimmenverlust

Das Unbehagen linker Wähler über die Dominanz des Rechtsaußen Salvini in der Regierung bekamen die Cinque Stelle bei den Kommunalwahlen vom vergangenen Wochenende brutal zu spüren: Cinque Stelle verloren im Vergleich zu den Parlamentswahlen sage und schreibe zwei Drittel der Stimmen und kamen durchschnittlich nur auf elf Prozent. Etwa ein Drittel bis die Hälfte der Wähler der Protestbewegung stehen politisch links – und diese blieben den Wahllokalen entweder fern oder wählten den sozialdemokratischen PD, der sich überraschend gut hielt. Für die "Grillini" wird es zu einer Überlebensfrage, ob sie Salvini künftig die Stirn bieten können. Bisher gibt es dafür kaum Anzeichen. (Dominik Straub aus Rom, 12.6.2018)