Lugano – Vor dem Luganeser Strafgericht hat am Dienstag der Prozess gegen einen Arzt der Clinica Sant'Anna in Sorengo bei Lugano begonnen. Er hatte 2014 einer Patientin irrtümlich beide Brüste entfernt. Seine Verteidiger forderten zu Prozessbeginn einen Verhandlungsaufschub.

Die Anklage wirft dem Chirurgen schwere fahrlässige Körperverletzung und Dokumentenfälschung vor. Er habe sich vor dem Eingriff nicht – wie es seine Pflicht gewesen sei – versichert, welche Patientin er tatsächlich vor sich habe, und sei von einem anderen Fall ausgegangen. Dadurch habe er der betroffenen Patientin beide Brüste amputiert, obwohl sie nur an einem kleinen Tumor an einer Brustwarze hätte operiert werden sollen. Zusätzlich habe er versucht, nachträglich in den Operationsprotokollen den Eingriff zu rechtfertigen.

Die Anklage hatte zuerst einen Strafbefehl über 120 Tagessätze und eine Buße von 3.000 Franken ausgesprochen. Das Dekret wurde jedoch vom Arzt angefochten, worauf es jetzt zum Prozess kam. Die Verteidigung forderte zu Verhandlungsbeginn einen Aufschub des Prozesses, da "ihre Verteidigungsrechte ernsthaft beeinträchtigt worden seien". Das Gericht wies die Forderung als unbegründet zurück

Der Prozess hatte in den Medien viel Aufsehen erzeugt. Nicht zuletzt deshalb , weil die Journalisten, die den Fall aufdeckten, hinterher von der Klinik wegen Geschäftsschädigung angezeigt und erst in zweiter Instanz freigesprochen worden waren. (APA, sda, 12.6.2018)