Eines vorweg: Wenn Sie oft von Gelsen gestochen werden, dann gehören Sie einer ausgesucht privilegierten Minderheit an. Nur 20 Prozent aller Menschen ziehen die Stechmücken besonders stark an. Das heißt natürlich nicht, dass andere nicht gestochen werden. Die Tiere werden von Gasen angelockt – am ehesten von Kohlendioxid, das Menschen ausatmen. Anziehend ist aber auch Ammoniak, Milchsäure und Harnsäure, Stoffwechselprodukte, die wir im Schweiß enthalten haben. Je wärmer der Körper ist, desto gefährdeter ist man. Nach dem abendlichen Lauftraining kann also eine kalte Dusche nicht schaden, ehe man sich mit Freunden im Schanigarten trifft (Mehr dazu hier). Doch alle Maßnahmen helfen nur bedingt.

Manche Gelsen machen es sich nämlich auch in Häusern gemütlich. Das Surren einer Gelse im Schlafzimmer dürfte zu den meistgehassten Geräuschen der Welt gehören. Auch wenn die heimischen Stechmücken im Vergleich zu tropischen weitgehend harmlos sind, haben sie doch enormes Störpotenzial. Wiener Forscher erproben derzeit gemeinsam mit engagierten Laien Methoden, um die Vermehrung der Plagegeister einzudämmen.

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Culex pipiens ist die häufigste Hausgelsenart. Insgesamt 49 Stechmückenarten kommen in Österreich vor.
Foto: Picturedesk / F1 Online

Weltweit gibt es 3500 Arten von Stechmücken. Mehr als hundert kommen in Europa vor und ganze 49 in Österreich. Ihre Unterscheidung ist auch für Fachleute oft schwierig und teilweise überhaupt nur mithilfe genetischer Methoden möglich. Für praktische Überlegungen wichtiger ist daher ihre Einteilung in verschiedene Lebensraumtypen wie Haus-, Überschwemmungs- und eingewanderte Gelsen.

Hausgelsen halten sich, wie der Name schon sagt, ebenfalls in Gebäuden auf, wo sie auch überwintern. Im Frühjahr suchen die Weibchen zur Eiablage nahegelegene Wasserstellen auf, wobei sie nicht wählerisch sind: Eine Vogeltränke oder Regentonne tut es genauso wie das Ufer eines Teiches oder Wassergrabens. Die häufigste Hausgelsenart in Wien ist Culex pipiens.

Kurze Lebensdauer

Überschwemmungsgelsen leben als Erwachsene nur recht kurz. Die Weibchen legen ihre Eier an den Rändern von Gewässern ab, wo sie lange Zeit unbeschadet ausharren können. Steigt das Wasser im Zuge einer Überschwemmung, beginnt der Entwicklungszyklus der Stechmücken. Je höher das Wasser dabei steigt, desto mehr Eier werden aktiviert, wobei es oft zu explosionsartigen Massenvermehrungen kommt. Die meisten Überschwemmungsgelsen gehören zur Gattung Aedes.

An eingewanderten Gelsenarten gibt es in Österreich vier, darunter die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) und die Asiatische Buschmücke (Aedes japonicus), die wegen ihrer Rolle als potenzielle Überträger von Chikungunya- und Dengue-Fieber besondere Aufmerksamkeit erfordern.

Im Unterschied zu den heimischen Arten, die vorwiegend in der Abenddämmerung zustechen, sind die beiden neuen Arten tagaktiv. Außerdem kann es auch bei ihnen zu Massenvermehrungen kommen. Vorläufig treten sie allerdings nur vereinzelt auf.

Genetischer Barcode

Hans-Peter Führer vom Institut für Parasitologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien und die von ihm geleitete Stechmückenforschungsgruppe beschäftigen sich seit Jahren mit allen Aspekten von Stechmücken.

Als diesbezügliche Spezialisten nehmen sie auch am Projekt Austrian Barcode of Life (ABOL) teil, dessen Ziel es ist, die genetische Vielfalt aller Tier- und Pflanzenarten Österreichs mittels DNA-Barcoding zu erfassen und in einer frei zugänglichen Datenbank zur Verfügung zu stellen. Von den 49 in Österreich ansässigen Stechmückenarten konnten Führer und sein Team bereits 32 in die Datenbank eingeben.

In einem heuer angelaufenen und vom Wissenschaftsfonds FWF finanzierten Citizen-Science-Projekt wendet sich die Stechmückenforschungsgruppe auch an interessierte Laien: Wiener Kleingartenbesitzer wurden darin aufgefordert, sich an der systematischen Überwachung von Stechmücken zu beteiligen. "Wir wollten 150 Teilnehmer und haben in kurzer Zeit 180 gefunden", freut sich Führer, "offenbar hat die Wiener Bevölkerung ein großes Interesse an diesem Thema."

Die Teilnehmer stellen in ihren Kleingärten einfache selbstgebastelte Gelsenfallen auf, die sie täglich zu einer Sammelstelle bringen. An der Veterinärmedizinischen Universität wird deren Inhalt bestimmt und ausgewertet. Um die Qualität der so gewonnenen Daten zu kontrollieren, steht in jeder teilnehmenden Kleingartenanlage auch eine große professionelle Mückenfalle.

Datensammlung und Prävention

Das Prinzip der Fallen ist immer dasselbe: Sie geben Kohlendioxid ab und locken auf diese Weise weibliche Stechmücken an, die auf der Suche nach einer Blutmahlzeit sind. Bei der selbstgebastelten Variante wird das Gas von Hefe erzeugt, die mit Zucker versorgt und in einer abgeschnittenen Plastikflasche platziert wird. Bei den professionellen Fallen stammt das verführerische CO2 hingegen aus Gasflaschen und ein Ventilator saugt die Tiere ins Innere.

Mit dem Projekt sollen einerseits mehr Daten über die Artenzusammensetzung der Wiener Stechmücken gesammelt, andererseits aber auch erhoben werden, inwiefern die Bevölkerung willens ist, sich an Präventivmaßnahmen gegen Gelsen zu beteiligen. Die Teilnehmer erhalten nämlich auch Tipps, wie sie mit einfachen Methoden die Vermehrung der Mücken in ihren Kleingärten hintanhalten können: etwa durch das Abdecken oder Entfernen von potenziellen Brutgewässern wie Regentonnen, gefüllten Gießkannen und dergleichen.

Eine Umweltpsychologin der Universität Salzburg soll in der Folge feststellen, wie weit die Kleingärtner die Empfehlungen auch nach Ende des Projektes beherzigen.

Tiger- und Buschmücken

Interessant ist die Überwachung der Mücken für die Forscher auch aus gesundheitlicher Sicht: Vorläufig sind Tiger- und Buschmücke noch sehr selten, doch das muss nicht so bleiben, schon gar nicht angesichts steigender Durchschnittstemperaturen. Doch Tigermücke und Co sind nicht die einzigen gesundheitlich bedenklichen Arten.

"Culex pipiens, die häufigste Gelsenart in Wien, kann das West-Nil-Virus übertragen", sagt Führer. Das seit rund 20 Jahren auch in Europa vorkommende Virus befällt eigentlich Vögel, gelegentlich aber auch Pferde und Menschen. Bei gesunden Personen verläuft die Krankheit jedoch gewöhnlich wie eine Sommergrippe, und die Gefahr, daran zu erkranken, ist gering.

Günstige Wetterlage

Ein bombensicheres Mittel gegen Gelsen gibt es nicht, wohl aber die üblichen Maßnahmen wie Insektensprays, lange Kleidung oder Moskitonetze. Übrigens ist keine Panik geboten, wenn man von einer Gelse mit markanten Beinstreifen gestochen wird: "Nicht nur die Tigermücken, auch viele einheimische Arten haben gestreifte Beine", beruhigt Führer.

Zwar saugen alle österreichischen Arten Blut am Menschen, allerdings nur die Weibchen und diese wiederum nur vor der Fortpflanzung, weil sie ohne Blut keine Eier produzieren können. Die restliche Zeit saugen die meisten Stechmücken Pflanzensäfte und spielen als solche auch eine Rolle als Blütenbestäuber, wie Führer betont.

Anleitung für eine selbstgebaute Gelsenfalle

Anleitung für eine Gelsenfalle.
Foto: Vetmed-Uni
  1. Schneiden Sie eine Plastikflasche in der Mitte durch und bekleben Sie den unteren Teil mit schwarzem Isolierband.
  2. Lösen Sie 50 g Rohrzucker und einen zerbröckelten Germwürfel in 200 ml Wasser auf.
  3. Geben Sie das Gemisch in den unteren Teil der Flasche und setzen Sie den oberen Teil mit dem Flaschenhals nach unten darauf.
  4. Stellen Sie die Gelsenfalle im Garten oder am Balkon auf. Der Germ gärt in der Flüssigkeit und setzt dabei Kohlendioxid frei, das die Gelsen in die Flasche lockt.

Wird heuer ein Gelsenjahr?

Für die Hausgelsen ja, vermutet der Experte, weil das Wetter schon länger warm und trocken ist, was die Entwicklung der Mücken begünstigt.

Und die Überschwemmungsgelsen? "Das ist unmöglich seriös vorherzusagen", sagt Führer, "weil das vom Wetter abhängt: Wenn es zum Beispiel im Schwarzwald genug regnet, haben wir an der Donau Überschwemmungen und damit jede Menge Gelsen." (Susanne Strnadl, 17.6.2018)