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Bitcoin und Co gelten als Spekulationsobjekte und stehen im Verdacht, Geldwäsche zu erleichtern.

Foto: Reuters / Mike Segar

Kryptowährungen haben keinen besonders guten Ruf. Bitcoin und Co gelten als Spekulationsobjekte, stehen im Verdacht, Geldwäsche zu erleichtern, auch um den Konsumentenschutz ist es nicht gut bestellt.

Diebstahl auf Handelsplattformen und Betrugsskandale von Investmentnetzwerken wie Bitconnect lassen große Investoren vor dem unregulierten Kryptowährungsmarkt zurückschrecken. Staatlichen Stellen aber fehlt die Kompetenz, um die Branche auf einem internationalen Niveau zu regulieren.

Was also tun? Am Competence Center for Corporative Governance and Business Ethics an der FH Wien der Wiener Wirtschaftskammer erforschen Wirtschaftsethiker wie Markus Scholz und Maria Riegler Strategien, mit denen genau solche und ähnliche systemische Risiken auf effektive Weise reduziert werden könnten. Das Motto dabei: Selbstregulierung zahlt sich aus.

Collective Action

Scholz, der mit seinem Team derzeit die ersten Ansätze solcher Selbstregulationen in der Kryptowährungsbranche untersucht, sieht dabei vor allem die Methode namens Collective Action als besonders zielführend. Der auch demokratiepolitisch innovative Ansatz beruht auf der Diskursethik von Jürgen Habermas.

Collective Action heißt, möglichst alle Stakeholder einer Branche an einen Tisch zu bekommen – von Unternehmen über NGOs, Konsumentenschützer und Arbeitnehmervertreter bis hin zu Vertretern staatlicher Regulierungsstellen. Gemeinsam sollen sie Regeln aushandeln.

"Den staatlichen Stellen fehlt besonders in hochinnovativen Branchen mit disruptiven Entwicklungen meist schlicht noch die Kompetenz für maßvolle und passgenaue Regulierungen", sagt Scholz.

Selbstregulierung

Collective Actions wurden in den letzten zehn Jahren bereits dafür eingesetzt, um Korruption zu bekämpfen, oder wie im Fall der Textilindustrie in Bangladesch, um zu verbindlichen Arbeitsschutzregulierungen zu kommen. Dem voraus ging eine Katastrophe: Im April 2013 kamen mehr als 1000 Textilarbeiter ums Leben, weil sie gezwungen wurden, in einer Fabrik zu arbeiten, die erwiesenermaßen baufällig war.

Für internationale Textilunternehmen, die in Bangladesch Lohnvorteile lukrierten, war das ein Weckruf. Was die Regierung in Bangladesch allein nicht schaffte, wurde in der Folge in Form von Selbstregulationsprozessen von Unternehmen umgesetzt. Die US-Industrie wählte dabei den paternalistischen Weg und entwickelte ohne Einbeziehung anderer Stakeholder einen gemeinsamen Code of Conduct für Arbeiterrechte.

Europäische Unternehmen setzten auf Collective Action. Gemeinsam mit Gewerkschaften und Regierungsvertretern handelten sie in einem moderierten Prozess verbindliche Regeln aus.

Indikatoren für systemische Risiken

Selbstregulationsprozesse wären, so Scholz, jedenfalls dann angebracht, wenn mehrere Frühindikatoren für eine Branche zutreffen: hohe Innovationsgeschwindigkeit, geringe Transparenz, kein kritischer Diskurs über Risiken, wenige Experten und schwache, inkompetente staatliche Regulatoren.

Werden diese Frühindikatoren ignoriert, kann das systemische Risiko schlagend werden. Stichwort Bankenkrise 2007: Als die Immobilienblase platzte, brachte die fehlende Selbstregulierung der Banken harsche Regeln durch den öffentlichen Regulator.

"Eine frühzeitige Selbstregulierung kann daher durchaus im Eigeninteresse der Unternehmen liegen", sagt Scholz. In der Kryptowährungsbranche lägen jedenfalls alle Indikatoren für systemische Risiken vor. "Es liegt in der Verantwortung der Unternehmen, hier eigenständig aktiv zu werden." (Norbert Regitnig-Tillian, 17.6.2018)