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Youtube und andere Plattformen sollen künftig automatisch überprüfen, welche Inhalte ihre User hochladen – und ob diese dabei das Urheberrecht verletzen.

Foto: Reuters/Beawihirta

Das Europäische Parlament bereitet momentan eine Urheberrechtsreform vor, die spürbare Folgen auf das alltägliche Verhalten von Internetnutzern haben könnte. Konservative wollen ein sehr strenges Urheberrecht einführen, das beispielsweise ein Leistungsschutzrecht umfasst. So könnten dann selbst die Beschreibungen fremder Inhalte verboten sein. Für Kritiker wie die EU-Abgeordnete Julia Reda (Piraten) wäre das ein "Angriff auf Hyperlinks", der die Pressefreiheit einschränkt.

Europaweite Umsetzung

Hinter dem Vorschlag sollen vor allem große deutsche Verlage stehen, die so Druck auf Facebook, Google und Twitter erzeugen wollen. Beispielsweise wären die Vorschauen auf Artikel, die in sozialen Medien geteilt werden, von der "Link-Steuer" betroffen. Ein weniger strenges Leistungsschutzrecht ist in Deutschland seit 2013 in Kraft. Die großen Verlage erlaubten Google daraufhin, weiterhin Vorschauen auf die Artikel ihrer Medien zu schalten. Die EU-Kommission gab daraufhin eine Studie in Auftrag, um das Leistungsschutzrecht zu evaluieren. Die Studie stellte dem Gesetz und einer ähnlichen Regelung in Spanien ein schlechtes Ergebnis aus, die EU-Kommission wollte den Bericht geheimhalten.

Nun sollen Regierungen europaweit zur Umsetzung einer derartigen Regelung gebracht werden. In Österreich gibt es seit längerem Pläne, ein Leistungsschutzrecht einzuführen. Die Regierung könnte sich dann auf die EU-Vorgabe berufen.

Für Missmut sorgt auch die Idee, Plattformen zur automatischen Überprüfung von Uploads zu verpflichten. Diese Filter sollen Inhalte aussieben, die womöglich gegen das Urheberrecht verstoßen – beispielsweise Fotos oder Musik. Die Intention dahinter ist es, europäische Musikverlage gegenüber Plattformen wie Youtube zu stärken. Auch hier sehen Skeptiker einen Angriff auf die Meinungsfreiheit. Der Mechanismus könnte etwa Videoaufnahmen filtern, weil im Hintergrund geschützte Musik aus einem Radio abgespielt wird.

Wikipedia warnt vor Folgen

Die Folgen könnten aber noch drastischer sein: So warnte die Online-Enzyklopädie Wikipedia, ihr Betrieb könnte unter den Regeln leiden. Dasselbe gilt für Open-Source-Plattformen, auf die regelmäßig Codefragmente geladen werden. Auch Wissenschaftsportale müssten künftig Nutzerinhalte verstärkt beobachten. Außerdem befürchten Netzaktivisten den Aufbau einer Überwachungsmaschinerie, da die geplanten Filter die Aktivitäten von Millionen Usern in Echtzeit beobachten. Sie könnten etwa für politische Zwecke missbraucht werden, indem statt urheberrechtlich geschützten Materials politische Aussagen, Logos oder Slogans ausgesiebt werden.

Die Upload-Filter stünden laut Kritikern im direkten Widerspruch zu anderen Passagen im EU-Recht, das die permanente Beobachtung von Nutzern verbietet. Organisationen wie Human Rights Watch oder Reporter ohne Grenzen warnten davor, dass die Upload-Filter "die Freiheit, Informationen zu verbreiten und zu erhalten, einschränken".

Data-Mining wird eingeschränkt

Die dritte Maßnahme, die auf große Bedenken stößt, ist die Einschränkung von Text und Data-Mining, also der maschinellen Verarbeitung von Datensätzen. Das soll künftig nur mehr "Forschungseinrichtungen" für "wissenschaftliche Zwecke" erlaubt sein. Das renommierte Max-Planck-Institut bekrittelte, dass es "keine ausreichende Rechtfertigung" für die Maßnahme gäbe. Die Start-up-Organisation Allied for Startups kommentierte, dass die EU "gerade Data-Mining-Start-ups gesagt hat, sie sollen ihre Geschäfte woandershin verlegen".

Die Vorbereitungen für die Reform laufen momentan im Rechtsausschuss, wobei auch andere Ausschüsse mitdiskutieren. Der Kulturausschuss will zum Beispiel eine Lockerung der Regeln, um Memes zu erlauben; aber auch einen Uploadfilter für Inhalte auf einer Cloud. Der Bürgerrechtsausschuss kämpft gegen automatische Inhaltserkennung, während der Industrieausschuss Text- und Data-Mining-Ausnahmen für junge Start-ups fordert.

Urheberrecht auf Kosten der Meinungsfreiheit

Am 20. Juni soll der Rechtsausschuss über einen Kompromissvorschlag abstimmen, dann gelangt die Materie ins Plenum des EU-Parlaments. "In den Verhandlungen unterstütze ich gemeinsam mit der EVP-Fraktion diesen Artikel, um so faire Wettbewerbsbedingungen und Transparenz auch online wiederherzustellen", sagt der EU-Abgeordnete Heinz Becker (ÖVP) zum STANDARD. Neos-Klubobmann Niki Scherak meint hingegen, dass die Richtlinie "in ihrer jetzigen Form weit über das Ziel hinausschießt". Urheberrechtsschutz sei wichtig, dürfe "aber nie auf Kosten der Kunst- und Meinungsfreiheit gehen", so Scherak. Die liberale Fraktion im EU-Parlament unterstützt die Änderungen allerdings.

Die sozialdemokratische Abgeordnete Evelyn Regner warnt davor, dass "die Meinungs- und Informationsfreiheit von Millionen Europäern in Gefahr" sei, wenn "private Unternehmen technische Algorithmen" zum Filtern einsetzen. Auch die Grünen sind skeptisch: "Sonst reitet Schwarz-Blau gegen jede noch so angebliche Überregulierung aus – wenn es um das Urheberrecht geht, kann es, immer im Interesse der Verlagshäuser, nicht genug Regeln gegen das freie Internet geben", so der grüne EU-Abgeordnete Michel Reimon. Die FPÖ reagierte auf eine Anfrage nicht. (Fabian Schmid, 12.6.2018)