Dem Prothesenträger wird eine verbesserte Wahrnehmung der Prothese ermöglicht.

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Um die 1800 Beinamputationen werden jedes Jahr in Österreich durchgeführt. Es ist vor allem die wachsende Zahl der Diabetes-mellitus-Patienten in der industrialisierten Welt, die neben Unfällen für die hohe Zahl verantwortlich ist.

Ein häufiges Problem von Beinamputierten sind die Phantomschmerzen, die sich nach einer Amputation oft einstellen. "Nerven, die bisher kontinuierlich Informationen über den Zustand des Beins an das Gehirn gesendet haben, sind auf einmal inaktiv oder durch Druck inadäquat aktiviert, was häufig zu Schmerzen führt", sagt Thomas Haslwanter, Professor für Rehabilitationstechnik an der FH Linz. "Gibt man Neuronen nichts Sinnvolles zu tun, versuchen sie eben, neue Nervenverbindungen herzustellen."

Nerven aktivieren

Dem möchte der Tiroler gemeinsam mit der Med-Uni Wien und dem weltgrößten Prothesenhersteller Otto Bock nun einen Riegel vorschieben. "Wir wollen die arbeitslos gewordenen Nerven aktivieren, indem wir sie mit der Hautregion am Stumpf verbinden."

Dafür werden die ursprünglich zum Fuß führenden Nerven durchtrennt und mit Nerven am Beinstumpf zusammengenäht. "Klopft man auf den Stumpf, wird der bisher untätige Nerv aktiviert und die Person kann ihren nicht mehr vorhandenen Fuß wieder spüren, weil Signale ins Gehirn gelangen, die ursprünglich der Fuß aktiviert hat", sagt der Wissenschafter.

In ihrem von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG finanzierten Projekt FeeL wollen die Forscher diese Druckinformationen vom Prothesenfuß mithilfe von Vibrationsmotoren an den Stumpf weiterleiten. Dass diese Methode tatsächlich funktioniert und dem Prothesenträger eine verbesserte Wahrnehmung der Prothese ermöglicht, konnte vor einigen Jahren in Kooperation mit Eva-Maria Baur von der Universitätsklinik für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie Innsbruck nachgewiesen werden.

"Damals wurde dieses innovative Verfahren erstmals bei einem Patienten eingesetzt, der sieben Jahre lang unter massiven Schmerzen litt", berichtet Haslwanter. "Mit der neuen Prothese kann er nun spüren, ob er über Gras, Beton oder Schotter geht." Sogar reiten sei wieder möglich, und vor allem: "Die Schmerzen sind völlig verschwunden."

Drucksensoren überlisten Gehirn

Nun soll das System weiterentwickelt werden. "Im aktuellen Projekt gehen wir einen Schritt weiter und überprüfen, ob das Gehirn auch bei Patienten ohne Nervumleitung durch den immer gleichen Reiz lernen kann, die Prothese als den eigenen Fuß wahrzunehmen", erklärt Haslwanter.

Konkret werden zu diesem Zweck auf der Fußseite der Prothese Drucksensoren angebracht, die ähnlich wie bei den aufleuchtenden Kinderschuhen beim Abrollen des Fußes der Reihe nach aktiviert werden. "Mithilfe von Vibrationsmotoren im Prothesenschaft werden die Druckimpulse an den Stumpf weitergeleitet, damit der Patient über die dortigen Hautnerven eine bessere Wahrnehmung seiner Prothese entwickeln kann."

So gefinkelt die Methode ist, so schlicht und kostengünstig ist die dafür verwendete Technologie. "Die von uns eingesetzten Vibrationsmotoren finden sich in jedem Handy", so Haslwanter. Wann also dürfen Betroffene mit dieser neuen Prothesengeneration rechnen? "Bis zum fertigen Medizinprodukt werden noch mindestens vier Jahre vergehen – falls unsere Methode funktioniert", dämpft Haslwanter die Erwartungen.

Immerhin müsse man sehr aufwendige regulatorische Voraussetzungen erfüllen, "und auch das zeitintensive Ringen um Fördermittel hat die Entwicklung nicht gerade beschleunigt". Nach etlichen Jahren in der Schweiz, Deutschland und Australien muss sich der Forscher an den Kampf ums Geld erst gewöhnen: "Ich war noch nie in einem Land, wo es so schwer ist, Forschung zu betreiben, wie in Österreich." (Doris Griesser, 15.6.2018)