Unleistbare Mietpreise moniert die Grazer KPÖ-Stadträtin Elke Kahr (li.). ÖVP-Abgeordnete Michaela Steinacker sieht die Lösung in mehr Angebot.

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Eine Diskussion über Baulandgewinnung funktioniert nicht ohne eine Mietrechtsreform, so Elke Kahr (KPÖ). Michaela Steinacker (ÖVP) stimmt zu, aber unter völlig anderen Vorzeichen. Eric Frey moderierte.

STANDARD: Frau Steinacker, was kann denn die Politik tun, damit mehr Wohnraum entsteht?

Steinacker: Je mehr Wohnungen am Markt sind, desto günstiger wird Wohnen. Investoren sind gut beraten, zu investieren und Raum zu produzieren, wenn es sich unterm Strich rechnet. Das gilt für den gewerblichen Bereich genauso wie für den geförderten. Wohnbauförderungen müssen rasch und unbürokratisch in den gemeinnützigen Wohnbau fließen. Ich halte auch sehr viel vom Baurecht, wo es ebenfalls vertragliche und steuerliche Vereinfachungen geben muss.

STANDARD: Frau Kahr, muss es sich rechnen, damit ein Angebot auf den Markt kommt?

Kahr: Wohnen ist keine Ware wie jede andere, ein Dach über dem Kopf braucht jeder. Die Praxis ist anders. In der Steiermark sind die Wohneinheiten im sozialen Wohnbau so gering, dass es nicht mal für Graz ausreichen würde.

STANDARD: Also soll das Angebot nicht dem Markt überlassen werden?

Kahr: Genau. Viele Menschen können sich am privaten Wohnungsmarkt nicht wohnversorgen. Deshalb muss die öffentliche Hand alles tun, um auf staatliche Eingriffe und Steuern einzuwirken. Indem man Grundstücke ankauft, nicht privatisiert und Wohnbaufördermittel daran knüpft, einen Prozentsatz für kommunales Zuweisungsrecht zu ermöglichen. In der letzten Periode haben wir in der Steiermark etwa auf selbst gekauften oder in der Gemeinde vorhandenen Grundstücken gebaut.

STANDARD: Frau Steinacker, braucht es mehr Eingriffe, um ausreichend Wohnraum zu schaffen?

Steinacker: Das Eigentumsrecht ist eines der höchsten Güter, das durch unser Staatsgrundgesetz und die europäische Menschenrechtskonvention abgesichert ist. Privates Eigentum soll grundsätzlich unangetastet bleiben. Bei öffentlichen Eigentümern wie ÖBB, BIG, Asfinag oder Bundesforste wäre aber zu überlegen, Regelungen zur Verpflichtung zu sozialer Verantwortung zu schaffen. Dieses Vermögen beruht auf Steuergeld der Republik. Das Mietrecht ist auch ein Eingriff ins Eigentum und ein preisdämpfendes Element. Mietzinsobergrenzen kann ich mir überhaupt nicht vorstellen.

STANDARD: Frau Kahr, ist diese Art von öffentlicher Hand, die Baugrund kauft, Wohnungen errichtet und auch reguliert, nur für die Allerärmsten gedacht?

Kahr: Für die soziale Durchmischung ist es wichtig, die Richtlinien für Gemeindewohnungen so anzulegen, dass gerade Berufstätige mit mittleren Einkommen Zugang dazu haben. Ebenso dass Grundstücke dort angekauft werden, wo es bisher kaum sozialen oder gemeinnützigen Wohnbau gab. Wenn man über Baulandmobilisierung redet, muss man allerdings auch von einer Mietrechtsreform reden, die ihren Namen verdient.

STANDARD: Die Mietrechtsreform, die Sie sich vorstellen, läuft wohl auf Mietzinsobergrenzen hinaus?

Kahr: Absolut.

STANDARD: Obwohl das zum Teil das Angebot auch dämpfen kann?

Kahr: Das mag sein, ist aber unwahrscheinlich, wenn Vergaben oder Zuweisungen über die öffentliche Hand erfolgen. Ohne klare Obergrenzen wird das Wohnungsproblem nicht gelöst. Im Gegenteil, wir steuern einer großen Wohnungsnot entgegen.

STANDARD: Frau Steinacker, Sie sind ja auch für eine Reform des Mietrechts, aber warum gegen Obergrenzen?

Steinacker: Das Recht ist veraltet, Ungerechtigkeiten wie das Eintrittsrecht, das aus 1917 stammt, sind überholt. Frankreich hat eine Obergrenze eingeführt: Dort ist das Bauvolumen in den vergangenen 13 Jahren rasant zurückgegangen, das BIP-Wachstum um 0,4 Prozent. Jeder Euro in Bau investiert generiert einen 2,5- bis dreifachen Mehrwert.

Kahr: Liest man zwischen den Zeilen, sind Ihre Pläne eine Reform zum Fürchten.

STANDARD: Aber warum?

Kahr: Es ist Alarmstufe Rot, auch beim Mietrecht, ich höre eine weitere Schwächung der Mieterrechte heraus. In Graz gibt es Nettomieten von zwölf Euro und mehr, das ist für einen Großteil der erwerbstätigen Bevölkerung nicht mehr leistbar. Wenn 50 Prozent des Einkommens für Wohnkosten draufgehen, läuft etwas falsch. Zu sagen, das fängt die Wohnbauförderung ab, ist der falsche Ansatz. Es gehört so gebaut, dass jeder Arbeitende sich eine Wohnung gut leisten kann.

Steinacker: Alles schön und gut, aber es muss auch jemand Objekte errichten. Langfristig ist Eigentum das günstigste Wohnen. Nicht jeder kann eine Wohnung kaufen, aber Mietkaufmodelle sind hier ein sehr sozialer Zugang.

STANDARD: Tun die Länder genug für die Wohnbauförderung? Wird sie richtig eingesetzt?

Steinacker: Die Volumina sind ja da. Die Treffsicherheit zweifle ich an.

Kahr: Es ist ein Problem, wenn Private die Wohnbauförderung erhalten und die Mieter nach Auslaufen wieder ausziehen müssen, weil der Mietpreis steigt.

Steinacker: Mein Weg ist es, nicht wieder einen verstaatlichten Wohnbau mit Zuweisung von Wohnungen zu haben. Punkt.

STANDARD: Gibt es im Regierungsprogramm zum Wohnbau irgendetwas, von dem Sie sich etwas Positives erwarten?

Kahr: Ich hoffe, dass man sich ein Beispiel an vielen EU-Ländern nimmt und die Maklerprovision der Auftraggeber und nicht mehr der Wohnungssuchende zahlt. Damit hat sogar die CDU in Deutschland kein Problem.

Steinacker: Aber es nimmt ja auch der Wohnungssuchende eine Leistung in Anspruch.(Marietta Adenberger, 15.6.2018)