Ein Bekannter von Doris Knecht probiert gerade viele Sportarten aus. Familytennis ist nicht dabei – zu leicht –, aber Tischtennis kann ein echter Leistungssport sein.

Foto: Irina Gavrich

Samstagabend auf dem Land. Wir sitzen beim Essen; Nachbarn, Freunde. Ein Mann betritt die Küche, er trägt einen nass-glänzenden schwarzen Ganzkörperneoprenanzug. Wir blicken kurz auf und essen dann weiter. Alles okay. Wir kennen den Mann, er ist harmlos. Wir laden ihn auf ein Glas Wein ein, aber er trinkt nicht mehr, und die Einladung zum Essen lehnt er auch ab.

Er will sich nur ein bisschen an die Küchenvitrine lehnen und davon erzählen, dass er jetzt mit seinem Kajak die Eskimorolle kann. Er hat sie den ganzen Nachmittag geübt. Gestern auch schon. Nur die Eskimorolle. Er glaubt, er beherrscht sie jetzt. Super, Gratulation, dann kannst du jetzt den Fluss runterpaddeln. Na ja, schau ma mal. Der Mann ist gerade dabei, verschiedene Sportarten auszuprobieren: Tennis, Klettern, Langlaufen auf Rollen. Er ist auf der Suche nach was Fixem.

Wir spielen

Ein paar Wochen später sieht es so aus, als habe er es gefunden: Der Mann kommt in den Garten, er hat einen Tischtennisschläger dabei. In meinem Garten steht ein Tisch, nicht sehr oft benutzt, das kaputte Netz habe ich irgendwann durch ein stabiles Hasengitter ersetzt. Der Mann trainiert jetzt mehrmals die Woche in einer Trainingshalle im 8. Bezirk, in der wahrscheinlich ältesten Tischtennishalle der Welt. "Spielen wir!", sagt der Mann. Ich kann es nicht mehr, sage ich. "Wuascht!", sagt der Mann. Wir spielen.

Ich kann es doch noch ein bisschen, allerdings warnt mich nach einer knappen Stunde mein Fitnesstracker vor einer paroxysmalen Tachykardie (vulgo Herzrasen): "Wenn denn nervös und wüten umstände herzjagen, durch Musik, meditation, Wie all mählich Wieder ruhe ein." (Der Fitnesstracker ist Chinese und spricht nicht besonders gut Deutsch.) Das Tischtennisspielen macht dennoch viel mehr Spaß, als ich dachte.

Als ich dem Mann ein paar Tage später vorschlage, wieder einmal zu spielen, sagt er, na, sorry, keine Lust, er habe jetzt einen eigenen Tisch und einen Trainingsroboter, der viel besser spiele als ich; willkommen bei den Modernisierungsverlierern. Als ich das einem Hamburger Freund erzähle, der mehr als zwölf Jahre Vereinstischtennis gespielt hat, sagt er: "Also, ich muss ehrlich sagen, ich liebe Tischtennis, aber ich habe noch bei keiner Sportart mit so vielen Verrückten zu tun gehabt wie bei dieser."

Bloß keine Verallgemeinerungen! Und ich weiß auch, was der andere Mann vorhat: Er will den Unterschied zwischen Freizeittischtennis und Turniertischtennis überwinden – was in der Tat verschiedene Sportarten mit unterschiedlichen Regeln sind-, zwischen Breiten- und Leistungssport, zwischen Hobby und Ernst. Er meint es jetzt ernst. Er will richtig gut werden, mit Unterschnitt, Sidespin, Flip und Schupfball. Okay. Spiel ich halt mit anderen; für den Spaß und ein bisschen Tachykardie. (Doris Knecht, RONDO, 28.6.2018)

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