Geladene Teilchen von der Sonne schlagen mit hoher Geschwindigkeit auf dem Merkur ein und richten erheblichen Schaden an.

Foto: NASA / TU Wien

Wien – Dem Magnetfeld der Erde ist es zu verdanken, dass hier überhaupt Leben existieren kann. Wäre dem nicht so, müsste sich unser Heimatplanet einem fortdauernden Bombardement hochenergetischer Teilchen von der Sonne aussetzen – und das hätte fatale Auswirkungen, wie Wissenschafter von der Technischen Universität (TU) Wien darlegen. Die Forscher wiesen nach, dass die elektrisch geladenen Partikel mit großer Wucht auf Monden und Planeten einschlagen und dabei drastischere Auswirkungen haben als gedacht.

"Der Sonnenwind besteht aus geladenen Teilchen – hauptsächlich aus Wasserstoff- und Helium-Ionen, aber auch schwerere Atome bis hin zu Eisen spielen eine Rolle", erklärt Friedrich Aumayr vom Institut für Angewandte Physik der TU Wien. Diese Teilchen treffen mit einer Geschwindigkeit von 400 bis 800 Kilometer pro Sekunde auf dem Oberflächengestein auf und können dabei zahlreiche andere Atome herausschleudern. Diese Teilchen können hoch aufsteigen, bevor die wieder zur Oberfläche zurückfallen, dadurch entsteht rund um den Mond oder den Merkur eine "Exosphäre" – eine extrem dünne Atmosphäre aus Atomen.

Diese Exosphäre ist für die Weltraumforschung höchst interessant, denn aus ihrer Zusammensetzung kann man auf den chemischen Aufbau der Gesteinsoberfläche schließen – und es ist deutlich einfacher, die Exosphäre zu analysieren als ein Raumfahrzeug auf der Oberfläche zu landen. Die Esa wird im Oktober 2018 die Sonde BepiColombo zum Merkur schicken, die aus der Zusammensetzung der Exosphäre Information über die geologischen und chemischen Eigenschaften des Merkurs gewinnen soll.

Elektrische Ladung entscheidend

Dafür ist es allerdings nötig, die Auswirkungen des Sonnenwindes auf das Gestein genau zu verstehen – doch genau dabei gab es bisher entscheidende Wissenslücken. An der TU Wien untersuchte man daher nun die Auswirkung von Ionenbeschuss auf Wollastonit, ein typisches Mondgestein. "Bisher ging man davon aus, dass in erster Linie die Bewegungsenergie der schnellen Teilchen dafür verantwortlich ist, dass die Gesteinsoberfläche atomar zerstäubt wird", sagt Paul Szabo, Erstautor der Studie im Fachjournal "Icarus".

"Das ist aber nur die halbe Wahrheit: Wir konnten zeigen, dass die hohe elektrische Ladung der Teilchen eine entscheidende Rolle spielt. Sie ist der Grund, dass die Teilchen auf der Oberfläche viel mehr Schaden anrichten können als bisher gedacht."

Wenn die Teilchen des Sonnenwindes mehrfach geladen sind, wenn ihnen also mehrere Elektronen fehlen, dann tragen sie eine große Menge an Energie, die beim Einschlag blitzartig freigesetzt wird. "Wenn man das nicht berücksichtigt, schätzt man Auswirkungen des Sonnenwindes auf verschiedene Gesteine ganz falsch ein", sagt Szabo. Daher kann man mit einem falschen Modell aus der Zusammensetzung der Exosphäre auch keine exakten Schlüsse auf das Oberflächengestein ziehen.

Helium spielt die Hauptrolle

Den weitaus größten Anteil des Sonnenwindes bilden Protonen, und so dachte man bisher auch, dass sie das Gestein am stärksten beeinflussen. Doch wie sich nun zeigt, spielt in Wirklichkeit Helium die Hauptrolle, weil es im Gegensatz zu den Protonen gleich doppelt positiv geladen sein kann. Auch der Beitrag schwererer Ionen mit noch größerer elektrischer Ladung darf nicht vernachlässigt werden. (red, 15.6.2018)