Tomatensauce auf dem geliehenen Babystrampler? Kein Problem, sagen Tchibo und andere Shareconomy-Vorreiter, die nun aus Liebe zur Nachhaltigkeit sogar Kinderkleidung vermieten.

Markus Soenning

Kaum ein Tag vergeht derzeit, an dem man nicht irgendetwas über die Modekonzepte Nachhaltigkeit und Shareconomy liest oder hört. Nach Wohnungen, Fahrrädern und Haushaltsgeräten gibt es nun einen neuen Großtrend beim Teilen: Kleidung zum Mieten. Der Kleidungsverleih für besondere Anlässe wie Skiurlaube oder Abendbälle ist selbstverständlich kein Novum, und auch Designerhandtaschen kann man sich seit Jahren schon borgen. Ausleihen statt besitzen wollen Leute nun aber wohl auch Jeansjacken und Babystrampler.

Dass das Mieten von Mode nicht nur ein Nischentrend für Exzentriker ist, hat allerspätestens Tchibo bewiesen. Seit Jänner vermietet die deutsche Handelskette Babykleidung und Spielzeug unter dem Projektnamen "Tchibo Share". Das Mietangebot gelte derzeit zwar nur für Deutschland, könnte aber ab nächstem Jahr auch nach Österreich kommen, sagt Sandra Coy, Sprecherin für Nachhaltigkeit und Qualität bei Tchibo. Das Unternehmen ist weltweit drittgrößter Anbieter von Biobaumwolle und will irgendwann nur noch vollkommen nachhaltige Produkte verkaufen. Doch wie nachhaltig ist das Vermieten von Kleidung wirklich?

"Reich wird man nicht"

Das kommt ganz darauf an, meint Astrid Bredereck. Seit 2015 vermietet die 41-Jährige über ihren Onlineshop Räubersachen hochwertige, ökologisch nachhaltige Kinderkleidung. "Es ist auf dermaßen viel Resonanz gestoßen", sagt die Unternehmerin. Heute hat die Firma sieben Angestellte sowie einige freie Mitarbeiter und beliefert Deutschland und Österreich. Auf die Frage, wie nachhaltig das ständige Reinigen, Einpacken und Verschicken von immer wieder neu verdreckter Kinderkleidung ist, hat Bredereck bessere Antworten als andere in der Shareconomy. "Wir verwenden ausschließlich gebrauchte Kartons und ökologische Waschmittel. Fast alle Artikel bestehen aus Rohstoffen wie Seide und Wolle, die dann instand gehalten werden. Wir sagen: Leute, kümmert euch um eure Sachen! Reparieren ist cool und nicht nur was für Omas!", so Bredereck.

Ein Stopf-Workshop des Unternehmens Räubersachen, der das Reparieren von Kinderkleidung lehren soll
Foto: Räubersachen

Selbstständig tätige Frauen reparieren aufgerissene Kinderhosen in Handarbeit. Dennoch: Durch die Sachen, die nach einem Monat völlig kaputt zurückgeschickt werden, verliert das Unternehmen Geld. Bredereck ist aus Überzeugung im Geschäft: "Wachstum um jeden Preis ist einfach nicht unser Konzept. Wir sind komplett gegen Fast Fashion und nehmen nur Hersteller ins Sortiment, die keine Saisonware produzieren." Alle Mitarbeiter, auch Bredereck selbst, verdienen den Mindestlohn, aktuell 8,84 Euro in der Stunde. "Es ist kein Modell, mit dem man reich wird." Die meisten Anbieter von Mietmode sind bisher auf Designerklamotten für Frauen spezialisiert. Die Auswahl reicht von größeren Firmen wie Rent the Runway, Girlmeetsdress und Armarium bis hin zu Start-ups wie Temporary Wardrobe.

Erfolg nicht garantiert

Einige sind jedoch bereits wieder verschwunden: Moiree.net, ein Wiener Start-up, bei dem man seit 2014 Designerklamotten ausleihen konnte, oder die portugiesische Chic by Choice scheinen das Geschäft eingestellt zu haben. Ein weiteres Modell ist das Peer-to-Peer-Sharing, bei dem Leute die eigenen Kleider weiterverleihen. Auch für Lona Alia, Gründerin der Peer-to-Peer-Plattform Stylelend, ist ökologische Nachhaltigkeit ein Hauptthema. Trotz chemischer Reinigungen und tausender Auslieferungen im Jahr sei ihr Service nachhaltig. "Mieten ist absolut das Nachhaltigste, was man tun kann, statt Ressourcen für die Produktion neuer Kleider zu verbrauchen", sagt Alia. Sie ist überzeugt, dass Mietmode kein Kurzzeitphänomen ist. "Mieten statt kaufen wird für viele definitiv ein sehr profitables Geschäftsmodell werden. Es gibt bereits dutzende Firmen, die hunderte Millionen an Umsatz damit machen, trotz der logistischen Kosten, die beim Vermieten eben anfallen." Ob man mit dem Kleider-Sharing reich wird oder nicht, all diese Firmen haben eins gemeinsam: Den Wunsch, mit sogenanntem Kollaborativkonsum die Modeindustrie zu stören, die trotz aller Warnungen immer schneller immer mehr Kleidung produziert, von der jedes Jahr Millionen von Tonnen im Müll landen. (Jedidajah Otte, 13.6.2018)