Das Treffen zwischen Donald Trump und Kim Jong-un im Capella-Hotel...

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... markiert nicht mehr als einen Start.

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Was für Bilder! Was für ein Kontrast! Noch vor neun Monaten war Kim Jong-un in Donald Trumps Diktion der Raketenmann auf Selbstmordtrip. Jetzt ist er der weise Staatsmann. Bisweilen, kommentieren spitze Zungen in Washington, konnte man sogar den Eindruck gewinnen, als sei der US-Präsident ziemlich stolz auf den jungen Diktator: Als sei der Nordkoreaner mit seiner markanten Frisur ein aufstrebendes Showtalent – und er selbst der wohlwollende Mentor.

Dennoch, es ist wohl das Wort Erleichterung, das die Stimmung in Washington am treffendsten beschreibt. Selbst scharfe Kritiker machen Trump Komplimente, weil er eine Kehrtwende vollzog und von kriegerischer Rhetorik auf eine des Friedens umschaltete. Manche gestehen ihm sogar zu, Kim durch extremen Druck, mit der Schläue eines Pokerspielers, überhaupt erst zu Aussöhnungssignalen veranlasst zu haben.

Innenpolitisches Kalkül

Dass es sich in einer Atmosphäre verminderter Spannungen besser verhandeln lässt als mit Nerven, die blankliegen, gehört zu den Binsenweisheiten der Diplomatie. Und Trump will sich zumindest eine Zeitlang kooperativ und berechenbar zeigen. Innenpolitisches Kalkül dürfte dabei eine Rolle spielen, denn im November stehen die "midterm elections" ins Haus, die Kongresswahlen zur Halbzeit der präsidialen Amtszeit.

Als Friedensstifter hofft Trump, Punkte zu sammeln: Soll ihm keiner nachsagen, dass er sich nicht um eine Lösung bemüht. Falls sich Fortschritte abzeichnen, könnte er den Demokraten so viel Wind aus den Segeln nehmen, dass es für seine Republikaner reicht, die parlamentarische Mehrheit zu wahren.

"Vielleicht werde ich in sechs Monaten vor Ihnen stehen und sagen: Hey, ich habe mich geirrt", sagte er vor der Presse in Singapur. Die Opposition hat den Satz genauestens registriert: In sechs Monaten ist das Kongresswahlrennen gelaufen, dann müsste Trump nicht mehr den nobelpreiswürdigen Retter des Weltfriedens geben.

Skeptische Stimmen

Wie auch immer: Das Treffen im Capella-Hotel markiert nicht mehr als einen Start. Was folgt, ist ein Marathon, bei dem keiner sagen kann, ob die Läufer die Ziellinie erreichen. Und wenn ja, wann. Kein Wunder, dass in den USA an skeptischen Stimmen kein Mangel herrscht.

Richard Haass, Direktor des Thinktanks Council on Foreign Relations und ein Konservativer der realpolitischen Schule, spricht von den Fallstricken der Diplomatie. Im Leben gehe es zu 90 Prozent darum, ob Worten Taten folgen. "Und die Geschichte lehrt uns, vorsichtig zu sein." Wie viele andere auch stellt Haass die Frage, ob Kim es ernst meint mit dem Bekenntnis zur Denuklearisierung der Koreanischen Halbinsel, ob er unter dem dehnbaren Begriff tatsächlich die Verschrottung der eigenen Atomwaffen versteht, ohne sie etwa an den Abzug der 28.500 US-Soldaten aus Südkorea oder die Aufkündigung von US-Sicherheitsgarantien für die Alliierten in Seoul und Tokio zu knüpfen.

Für den Korea-Experten Victor Cha sind es Fragen, auf die es momentan keine Antworten gibt. Vage Absichtserklärungen habe man von den Nordkoreanern zuvor auch schon gehört. Kim Il-sung und Kim Jong-il, der Großvater und der Vater des heutigen Herrschers, hätten die Amerikaner bisher jedes Mal an der Nase herumgeführt. Ob sich der dritte Kim anders verhalte, bleibe abzuwarten.

Stehvermögen für die diplomatische Langstrecke?

Und Trump? Wird er das Stehvermögen für die diplomatische Langstrecke aufbringen? Vor dem Gipfel in Singapur erklärte er großspurig, er wisse schon nach einer Minute, ob sein Gegenüber ein seriöser Gesprächspartner sei. Seine Art, impulsiv auf Widerspruch zu reagieren, lässt indes viele an seiner Eignung zum Marathonläufer zweifeln. Weil der kanadische Premier Justin Trudeau es wagte, die Stahl- und Aluminiumzölle Trumps zu kritisieren, widerrief er erst am Wochenende seine Zustimmung zur Abschlusserklärung des G7-Gipfels.

Apropos Verbündete: Der wahre Paukenschlag erdröhnte, als Trump vor der Presse in Singapur das Ende der Manöver mit Südkorea ankündigte. Für Strategen wie Christopher Hill, einen Veteranen früherer Atomverhandlungen mit Pjöngjang, ist es eine faustdicke Überraschung. Er hoffe nur, der Präsident habe das zuvor mit Seoul abgesprochen – statt wieder einen Alliierten vor Rätsel zu stellen. (Frank Herrmann aus Washington, 12.6.2018)