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Ein Shop in Pjöngjang: Im Moment verhindern die Sanktionen Wohlstandsgewinne.

Foto: REUTERS/Damir Sagolj

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Satellitenaufnahmen von der Koreanischen Halbinsel bei Nacht lassen die Umrisse der demokratischen Volksrepublik klar erkennen. Sie ist dunkel, während die Nachbarstaaten im Licht urbaner Elektrisierung erstrahlen.

Durch die Waffenstillstandslinie zwischen den Koreas startete 1953 ein natürliches Experiment, wie es Ökonomen betrachten, mit weitreichenden Folgen für Millionen von Menschen. Von einem Tag auf den anderen lebte ein Teil des koreanischen Volkes im kommunistischen Block unter strikter Planwirtschaft, während sich die Bewohner im Süden sukzessive der Marktwirtschaft und mit einiger Verzögerung der Demokratie verschrieben. Heute, über ein halbes Jahrhundert später, ist das Urteil verheerend: Die Wirtschaftsleistung pro Kopf ist im Süden mehr als zwanzig Mal höher als im Norden. Während Südkorea zu den innovativsten Volkswirtschaften zählt, gehört Nordkorea zu den ärmsten Ländern der Welt.

Tür zur Marktwirtschaft

Dem jungen, in der Schweiz zur Schule gegangenen Machthaber Kim Jong-un ist der Rückstand mehr als bewusst. Vor den Parteikadern betont er, wie wichtig wirtschaftliche Entwicklung sei, anstatt nur auf militärische Stärke zu pochen. Trotz sozialistischer Rhetorik öffnete Kim einen Fußbreit die Tür zur Marktwirtschaft: Anders als sein Vater, akzeptiert Kim junior die über gut zweieinhalb Jahrzehnte gewachsene Schattenwirtschaft im Land, die auf Devisen und Märkten basiert. Tragischer Hintergrund dieser Schwarzmärkte waren verheerende, durch politische Fehler ausgelöste Hungersnöte Mitte der Neunzigerjahre, denen bis zu eine Million Menschen zum Opfer fielen. Die Bevölkerung, inklusive lokaler Behörden war gezwungen, illegale Tauschgeschäfte mit Hilfsgütern zu organisieren, um zu überleben.

Rohstoffe und Kohle für China

Die schleichende Ausdehnung von Märkten in Nordkorea ist daher auf ein fundamentales Staatsversagen zurückzuführen und nicht, wie etwa in China, auf Reformen der Führung, wie der Ökonom Marcus Nolan vom Peterson Institute erklärt. Pjöngjang war daher lange Zeit ambivalent gegenüber dieser Entwicklung. Auch Kim Jong-un hat die Zügel der Planwirtschaft nur leicht gelockert. Mitunter erhielten staatliche Betriebe mehr Autonomie im Außenhandel. Das Handelsvolumen Nordkoreas hatte sich binnen sechs Jahren verdreifacht. Über 90 Prozent aller Exporte gehen nach China. Rund die Hälfte davon sind Rohstoffe, vor allem Kohle. Abgesehen davon exportiert das Land Textilien und Meeresfrüchte. Gleichzeitig ist Nordkorea auf Importe für die meisten Industrie- und Konsumgüter angewiesen. Mit der Verschärfung der Sanktionen 2017 wegen seines Nuklearprogramms ist der Handel – bei einer hohen Dunkelziffer – wieder eingebrochen.

Für Nolan ist klar, dass Nordkorea mittlerweile genügend marktwirtschaftliche Strukturen hätte, um deutlich zu wachsen. Im Moment sind es die Sanktionen, die Wohlstandsgewinne verhindern. Daher könnte ein erfolgreicher Deal zwischen Kim und Trump schnell Früchte tragen, in einem langzeitig so kargen Land. (Leopold Stefan, 13.6.2018)