Kann es verkehrt sein, mit einem Mann über Abrüstung zu sprechen, der die vergangenen Jahre damit zugebracht hat, sein Land nuklear zu bewaffnen? Ist es nicht besser, Kim Jong-un zu engagieren, statt ihn zu isolieren? Gibt es nach dem Treffen des nordkoreanischen Führers mit US-Präsident Donald Trump nicht die berechtigte Hoffnung, Bewegung in die seit Jahrzehnten verfahrene Situation auf der Koreanischen Halbinsel zu bringen? Ja, und sprechen die Reaktionen der internationalen Gemeinschaft auf das Treffen in Singapur nicht für das eher unkonventionelle Vorgehen der Amerikaner?

Das sind gute Fragen. Antworten darauf liegen nicht immer auf der Hand. Dennoch lässt sich nach der schönen, staatstragenden Inszenierung von Sentosa sagen: Die Trump-Kim-Show hatte viel mit PR, aber wenig mit Diplomatie und Sicherheitspolitik zu tun. Das öffentlichkeitswirksam unterzeichnete Dokument enthält kaum Konkretes und nur eine generelle Absichtserklärung der Nordkoreaner, "an der vollständigen Denuklearisierung der Koreanischen Halbinsel mitzuarbeiten". Derlei Absichten allerdings bestanden schon einige Male.

1994 schlossen die USA mit Nordkorea einen Vertrag, in dem Pjöngjang nukleare Abrüstung versprach. Im Jahr 2000 wäre es fast zu einem Abrüstungsgipfel zwischen Präsident Bill Clinton und Kims Vater Kim Jong-il gekommen. Danach gab es "Sechsparteiengespräche" (mit China, Japan, Südkorea und Russland), die eine Denuklearisierung Nordkoreas vorantreiben sollten. Im Verborgenen, sagen Experten, habe Pjöngjang über all die Jahre dennoch an Atomwaffen gearbeitet. Seine Kapazitäten in der Raketen- und Nukleartechnik stellte es zuletzt beeindruckend bei einer Reihe von Tests unter Beweis.

Sicherheitsgarantien

Der nun plötzlich freundliche "kleine Raketenmann" Kim hat in Singapur keine Position aufgegeben. Schon gar nicht seine Nuklearwaffen, die Lebensversicherung für ihn und sein Regime. Er hat nur Gespräche zugesichert. Zugeständnisse dagegen hat Mr. "Maximum Pressure" Trump gemacht: Er hat Kim Sicherheitsgarantien versprochen und auch gleich die Militärmanöver mit Südkorea gestrichen. Alle anderen, wesentlichen Details sollen Diplomaten in Verhandlungen klären, die nach den "tremendously successful talks" nun folgen sollen.

Üblicherweise sind in solchen Fällen 95 Prozent der Details schon geklärt, wenn die Chefs einander treffen, um den Rest auszuräumen. Diesmal ist es umgekehrt. Das bereits illustriert den generellen Unernst der Sache. Daneben müsste der in dem "duo infernale" vergleichsweise berechenbare Kim, meinte er es tatsächlich ehrlich, fürchten, dass sein Partner mit einem Tweet wieder alles zunichtemacht. Oder dass er einen detaillierten Vertrag wie den mit dem Iran aus tagespolitischem Kalkül wieder kündigt.

Das Problem an der bombigen Party in Singapur war nicht, dass es nicht klug wäre, mit Kim zu sprechen. Das Problem daran war vielmehr, dass es zumindest einem der beiden Beteiligten um Selbstvermarktung und nicht um Sicherheitspolitik ging – bloß keine Details, Trump first! Wirklich profitiert von dieser durchsichtigen Show hat allerdings nur der grausame Diktator aus Nordkorea, der nun auch noch eine Einladung ins Weiße Haus hat. Trump dagegen hat in Singapur einmal mehr unter Beweis gestellt, dass er besser Hotelbauprojekte verhandeln sollte als den Weltfrieden. (Christoph Prantner, 12.6.2018)